WELT
Die rätselhafte Vermehrung des Weißen Hais
Baku, den 18. Juni (AZERTAG). Überraschung vor Kalifornien. Nur noch 200 Weiße Haie lebten vor der Küste Zentralkaliforniens, hatten Artenschützer gewarnt. Nun zeigt sich, es sind erheblich mehr. Wird der Schutz der Tiere übertrieben?
Immer mehr weiße Haie leben vor der Küste Kaliforniens. Zu diesem Schluss kommt ein Forscherteam um George Burgess vom Florida Program for Shark Research. Die Wissenschaftler überprüften eine frühere Haizählung, nach der nur noch wenige Hundert Weiße Haie vor der Küste des US-Bundesstaats beheimatet sein sollten. Die vorangegangene Studie habe die Zahl der Weißen Haie deutlich unterschätzt, schreiben Burgess und Kollegen im Fachmagazin „Plos One“.
Barbara Block von der Stanford University im US-Bundesstaat Kalifornien und ihr Team hatten 2011 die Zahl Weißer Haie vor den Farallon-Inseln und am Tomales Point erfasst, wo die Tiere typischerweise Robben und Seelöwen erbeuten. Es war die erste Schätzung der Haipopulation in der Region. Mithilfe von Fotos der bei jedem Hai einzigartigen Rückenflosse konnten sie 131 Individuen ausmachen. Daraus schlossen sie, dass nur etwa 219 Exemplare vor Zentralkalifornien leben.
Mehr Haie an Ost- und Westküste – Das Team sei damals zu dem Schluss gekommen, dass diese Haie bereits die Hälfte aller heranwachsenden und erwachsenen Exemplare im östlichen Nordpazifik von Alaska bis Zentralamerika ausmachen, berichten Burgess und Kollegen. Auch aufgrund dieser erschreckenden Zahlen wurde der Weiße Hai 2013 im US-Bundesstaat Kalifornien unter den Schutz des California Endangered Species Act (Cesa) gestellt, dem Gesetz zur Rettung gefährdeter Arten.
Burgess und Kollegen hatten Zählungen von den gleichen Fressplätzen der Weißen Haie ausgewertet wie Block und ihr Team. Laut der neuen Analyse leben mindesten 2000 Weiße Haie aller Altersstufen entlang der Gesamtküste Kaliforniens. „Die gute Nachricht ist, dass der Weiße Hai allmählich zu alter Populationsstärke zurückkehrt“, kommentiert Burgess. Zwar hatten die Forscher in ihrer Studie eine ähnliche Haianzahl an den Fressplätzen als Grundlage genommen, die Hochrechnung unterscheidet sich aber deutlich.
Burgess und Kollegen schätzten das Alter der Haie anhand der Größe ab und ermittelten daraus wie viele Nachkommen die Tiere in ihrem Leben in etwa gehabt haben mussten. So wurden auch Jungtiere in der Statistik erfasst. Todesraten rechneten sie gegen. Das Ergebnis sei mit Informationen über die Haipopulationen an der Ostküste der USA konsistent, erklärt Burgess. Auch dort gebe es immer mehr Haie. Die von Bock angegebene Haianzahl von 219 könne man als minimale Anzahl dominanter Haimännchen ansehen, die jedes Jahr zu den gleichen Fressplätzen zurückkehren.
Schutzstatus nicht verschärft - Wahrscheinlich lebten im östlichen Nordpazifik aber sogar noch deutlich mehr Weiße Haie, als nun abgeschätzt, schreiben die Wissenschaftler. Die Tiere würden auf ihren Wanderungen große Stecken zurücklegen. Jungtiere kämen meist nicht zu typischen Fressstellen, weil sie sich noch von kleinen Fischen ernähren. Da Haie Kiemen haben und daher zum Atmen nicht an die Oberfläche kommen, gebe es häufig Fehler in Abschätzungen der Populationsgröße. Weder ihre eigene noch die Schätzung von Block und Kollegen berücksichtige wandernde Weiße Haie oder Exemplare, die an anderen Stellen fressen.
Burgess führt die wachsende Population darauf zurück, dass Kalifornien die Beutetiere der Haie, wie Seelöwen und Robben, seit 40 Jahren schützt. Zudem gelten Weiße Haie laut Weltnaturschutzunion (IUCN) als gefährdet und dürfen deshalb nicht gejagt werden.
Entwürfe der neuen Studie seien den Behörden in Kalifornien vorgelegt worden, berichtet Burgess. Diese hätten daraufhin darauf verzichtet, den Schutzstatus der Haie nochmals zu erhöhen. Es sei wichtig Tiere nicht fälschlicherweise als gefährdet einzustufen, damit die begrenzten Mittel Arten zugute kommen, die tatsächlich bedroht sind, so der Forscher.
Block und Kollegen sehen den Bestand der Weißen Haie vor Zentralkalifornien weiter kritisch. „Wir stehen hinter unseren Erkenntnissen. Unsere laufenden Forschungsprojekte verstärken die Aussagekraft und Genauigkeit der Ergebnisse sogar.“