GESELLSCHAFT
Eine Gehirn-OP kann schwerwiegende Folgen haben
Baku, den 3. März (AZERTAG). Eine Gehirn-OP kann schwerwiegende Folgen haben. Wird gesundes, funktionell wichtiges Gewebe beschädigt, hat der Patient hinterher möglicherweise Seh- oder Bewegungsstörungen. Eine neue Methode soll helfen. Patienten mit Hirntumoren haben vor einer Operation oft große Angst vor den möglichen Folgen des Eingriffs. Was, wenn wichtige Areale – beispielsweise für Gefühle, Sehen oder Bewegung – geschädigt werden?
Auch für die Chirurgen ist das eine Herausforderung. "Bis heute können wir aber gesundem Gewebe leider nicht ansehen, für welche Funktionen es zuständig ist", sagt die Direktorin der Klinik und Poliklinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum Dresden, Gabriele Schackert.
Sie und ihr Team haben deshalb eine neue Methode entwickelt, die solche Tumoroperationen zukünftig sicherer machen soll. Dabei wird die Hirnaktivität einzelner Bereiche mit Lichtstrahlen in Bilder umgewandelt. Der Chirurg sehe so schon während der OP, wo wichtige Funktionen angesiedelt seien.
Die Methode heißt Intraoperative Optical Imaging (IOI) und wurde bereits bei 103 Patienten eingesetzt. Der Vorteil laut Schackert: "Es wird kein Medikament verabreicht, kein Gewebe berührt oder verändert."
Und so funktioniert es: Ist eine Region im Gehirn aktiv, wird sie stärker durchblutet. Wird das Gehirn mit einer bestimmten Lampe angeleuchtet, ändert sich durch die Durchblutung auch die Absorption des Lichtes. Mehr Hirnaktivität bedeutet mehr Lichtabsorption.
Die Wissenschaftler regten das Gehirn durch Stimulationen an. So leuchteten sie beispielsweise einem Patienten ins Auge und reizten damit den Sehnerv – entsprechende Hirnregionen wurden aktiv, stärker durchblutet und mit der IOI-Methode sichtbar.
Die Areale für die Gefühlswahrnehmung brachte das Team mit einem anderen Trick zum Absorbieren. Sie reizten den Medianus-Nerv an der Innenseite des Unterarms der Patienten mit leichten Stromimpulsen. Der Nerv leitete die Impulse an die "Gefühlszentrale" im Gehirn weiter und die Mediziner konnten diese erkennen.
Dafür brauchten sie allerdings ein Instrument: In das Operationsmikroskop bauten sie eine winzige Kamera ein. Diese leitete die Bilder weiter, die eine starke Absorption des Lichtes zeigten. Ein Computer setzte die Informationen um und zeigte nach etwa 15 Minuten die aktivierten Hirnregionen. "Damit können wir erstmals wichtige Hirnfunktionen annähernd in Echtzeit erkennen", sagt Schackert.
Der Einsatz der neuen Technik ergebe nur Sinn, wenn der Tumor in einem sensiblen Bereich des Gehirns liege. Nur dann müsse der Chirurg wichtiges funktionelles Gewebe identifizieren, um zum Tumor zu gelangen und es dennoch zu schonen. Liege der Tumor in einem Gebiet, das keine wichtigen Funktionen habe, brauche man auch die IOI-Technik nicht.
Als Nächstes sei eine weitere Studie mit anderen neurochirurgischen Kliniken geplant, unter anderem in Phoenix in den USA. So wolle man zeigen, dass IOI auch an anderen Einrichtungen funktioniert, erklärt die Expertin.
"Das ideale Ziel wäre, ein IOI-Modul zu entwickeln, das auf jedes übliche neurochirurgische Mikroskop passt." Dann könnten die Chirurgen, nachdem sie die Schädeldecke geöffnet hätten, direkt den schonendsten Zugang zum Tumor wählen.