WIRTSCHAFT
Eine riskante Strategie
Baku, den 24. Oktober (AZERTAG). Die Allianz zwischen Peugeot und General Motors bröckelt seit langem - jetzt scheint der Bruch unvermeidlich. Konzernchef Pillippe Varín liebäugelt mit dem chinesischen Partner Dongfeng. Eine riskante Strategie.
Die Liaison steckte von Anfang an in der Krise. Seit PSA Peugeot/Citroën Chart zeigen und General Motors Chart zeigen vor gut einem Jahr Freundschaft schlossen, haben die Krisensitzungen in der Konzernzentrale einen Problemfall mehr. Wie lässt sich die ungeliebte Allianz doch noch gewinnbringend ummünzen, obwohl doch eigentlich nichts passt? Die Technik nicht, die Mentalität nicht und auch die Umstände sonst.
Die Antwort zeichnet sich inzwischen immer klarer ab. Es scheint nicht mehr die Frage ob, sondern nur noch wann PSA-Chef Philippe Varín die Allianz beerdigt. Die ersten Absetzbewegungen wurden an diesem Mittwoch während der Vorstellung der Zahlen für das dritte Quartal sichtbar. Die Einsparungen würden die angepeilte Milliarde Dollar wohl kaum erreichen, warnte Varín in unterkühltem Ton. So spricht niemand, der sich das Wohlwollen seines Partners nicht verscherzen will.
Als akut gefährdet gilt die gemeinsame Plattform für den Mini-Van, die beide Konzerne auf den Weg bringen wollten. Zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der Ingenieure und die technischen Anforderungen, die sie erfüllen müssen. Während GM auf den amerikanischen Markt schielt, wo der Vielzweckwagen als Buick oder Chevrolet vom Band laufen soll, hat PSA Peugeot/Citroën hauptsächlich Europa im Blick. Um so ein Auto aber für beide Kontinente kompatibel zu machen, wären teure technische Lösungen nötig. Der Vorteil geteilter Entwicklungskosten würde sich aber nur lohnen, wenn die Franzosen auch auf dem US-Markt vertreten wären. Daran wiederum hat GM kein Interesse.
Allianz vor dem Ende - Noch ein anderes Indiz spricht dafür, dass sich der PSA-Konzern bereits entschieden hat. Zurzeit verhandeln die Franzosen mit dem chinesischen Autohersteller Dongfeng über eine umfangreiche Beteiligung.Die Rede ist von rund 30 Prozent der Konzernanteile. Und um die Interessen der Grande Nation zu wahren, plant auch Paris eine Beteiligung in gleicher Höhe. Insgesamt könnten PSA Peugeot/Citroën auf diese Weise rund drei Milliarden Euro an zusätzlichem Kapital zufließen.
Das Grummeln aus Detroit hält sich derzeit noch in Grenzen, möglicherweise ist es auch nur mühsam unterdrückte Wut über den Affront. Offiziell hält man sich bedeckt und verweist auf die Zusammenarbeit mit PSA im Einkauf und im Bereich der großen Vans. Doch die Richtung ist vorgezeichnet. GM müsste mit einer kräftigen Verwässerung der Anteile rechnen. Derzeit halten die Amerikaner sieben Prozent der PSA-Aktien, den Rest hält die Familie Peugeot.
Doch so entschlossen Varíns aktueller Kurswechsel wirkt - die Anlehnung an Dongfeng birgt für die Franzosen große Gefahren. Denn es ist kaum absehbar, welche Pläne die Chinesen tatsächlich verfolgen. Dass sie sich als solvente Finanzinvestoren verstehen, die ihren neuen Partner langfristig an der langen Leine laufen lassen werden, glauben hingegen nur unerschütterliche Optimisten. Die Skeptiker sind jedoch davon überzeugt, dass es im günstigsten Fall nur um die Unabhängigkeit der Franzosen geschehen ist. Über kurz oder lang, so die Einschätzung, würden die Ansagen deutlicher - und die Ansprüche größer.
Gefährliche Neuorientierung - Wie so eine Zusammenarbeit aussehen kann, lässt sich am Beispiel des schwedischen Autobauers Volvo Chart zeigen beobachten, der 2010 von Geely übernommen wurde. Zunächst zeigten die Chinesen noch großes Interesse und heuerten den ehemaligen Chef von VW of America, Stefan Jacoby an, einen international erfahrenen Mann, der die verkrusteten Strukturen bei Einkauf, Produktion und Vertrieb gründlich aufbrach. Doch das Verhältnis von Geely-Chef Li und Jacoby kühlte sich schnell ab. Kaum zwei Jahre später musste Jacoby seinen Posten räumen und wurde durch Hakan Samuelsson ersetzt.
Im Falle PSA Peugeot/Citroën sind die Gewichte natürlich anders verteilt, nicht zuletzt weil der Staat bei allen Entscheidungen ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Doch angesichts der ungeheuren Verluste, die der Konzern jedes Jahr anhäuft, rennt den Franzosen die Zeit davon. „Ein Zusammenschluss mit einem schlagkräftigen Partner muss schnell Erfolge zeitigen“, sagt auch Stefan Bratzel von der Fachhochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Große Reibungsverluste sind also Gift, wenn es darum geht, das Steuer möglichst schnell herumzureißen.
Abzuwarten bleibt auch, ob sich GM bei der Neuaufstellung in die neue Rolle des Abservierten fügen wird. Der Anteil der Amerikaner würde mit einer Kapitalerhöhung zwar spürbar verwässert, er wäre aber noch groß genug, um den Umbau kräftig zu bremsen.