WELT
Elstern sind gar keine Kleptomanen
Baku, den 16. August (AZERTAG). Der Volksmund behauptet, dass Elstern notorische Diebe sind. Britische Forscher wollen nun das Gegenteil bewiesen haben. Sie haben versucht, die Vögel mit glänzenden Geschenken zu verführen.
Elstern haben keinen guten Ruf. Es heißt, sie stehlen alles, was glänzt. Wahllos schleppen sie Alufolie, Löffel und Goldringe davon. Angeblich. So zumindest will es der Volksglaube.
Doch Wissenschaftler um Toni Shepard vom Centre for Research in Animal Behaviour von der University of Exeter wollen nun die Ehre des Vogels wiederherstellen. Die Elster, so der Schluss einer aktuellen Studie, ist überhaupt kein Dieb.
In der Fachzeitschrift „Animal Cognition“ berichtet das Forscherteam von seinen Versuchen. Sie hatten Elstern untersucht, die zu zwei verschiedenen Gruppen gehörten. Die eine Gruppe bestand aus Tieren, die aus einer Auffangstation kamen – also ganz gut an Menschen gewöhnt waren. Die andere Gruppe bestand aus echten Wildvögeln. Auch sie kannten Menschen, da sie auf dem Campus der Universität lebten.
Um die Vögel ein wenig an den Versuch zu gewöhnen, stellten die Wissenschaftler den Tieren zunächst an einem festen Ort Schälchen mit Futter hin. Als die Elstern kapiert hatten, dass ein Besuch der Schälchen sich immer lohnte, stellten die Forscher zwei weitere Schalen auf. In die eine legten sie glänzende Schrauben und Ringe. In die andere legten die die gleichen Schrauben und Ringe, die sie aber zuvor matt angestrichen hatten.
Dann startete für die Forscher die Beobachtungsphase. Würden sich die Elstern auf die glänzenden Ringe stürzen? Die kleinen „Geschenke“ ignorieren? Oder einfach wahllos alles mitgehen lassen, glänzende und matte Ringe und Schrauben?
Die Forscher, die die Elstern beobachteten, wurden bitter enttäuscht. Denn die Tiere interessierten sich weiter für ihr Futter, aber nicht für die Geschenke. „Wir haben bei den Elstern keine Beweise für eine besondere Vorliebe für glänzende Objekte gefunden“, betont Shephard.
Es sei sogar so gewesen, dass die Vögel eher ängstlich reagiert hätten. Die neu aufgestellten Schalen mit Schrauben und Ringen hätten ihren Argwohn geweckt. Manche Vogel zögerten erst einmal, bis sie sich den Fressschalen wieder näherten. Erst nachdem sie mehrmals zum Futternapf geflogen waren und gelernt hatten, dass von den Schrauben und Ringen keine Gefahr ausgeht, habe sich ihre Vorsicht wieder gelegt.
Elstern legen, wie viele Rabenvögel, Verstecke an, in denen sie Fressbares für schlechte Zeiten horten. Deshalb sieht man sie häufig mit erbeuteten Brotkrusten oder Eicheln durch die Parkanlagen fliegen.
„Wir vermuten, dass es Menschen auffällt, wenn Elstern zufällig blinkende Objekte mitnehmen, weil sie glauben, dass die Vögel sie schön finden“, erklärt Shephard. Diese Ausnahmefälle bestätigen also nur scheinbar eine Regel.
Die Futterexperimente von Shepard und seinen Kollegen sollen nun also den Ruf der Elstern wiederherstellen.
Die Forscher können es sich aber nicht verkneifen, auf die diebischen Vorlieben eines anderen Vogels zu verweisen. Der Schwarzmilan habe den Ruf des Diebes tatsächlich verdient. Er interessiere sich nachgewiesenerweise für alles, was glänzt. Wenn das mal stimmt …