GESELLSCHAFT
Erst die Chemo, dann die Familienplanung
Baku, 10. Juni, AZERTAC
Als Jugendliche brauchte sie eine Chemotherapie, die sie unfruchtbar machte. Mit 27 Jahren bringt sie ein Kind zur Welt. Möglich wurde das für eine Patientin in Belgien, weil Ärzte ihr rechtzeitig Eierstockgewebe entnommen hatten.
In Belgien ist eine Frau Mutter geworden, deren Fruchtbarkeit mit vor der Pubertät entnommenem Eierstockgewebe wiederhergestellt wurde. Die 27-Jährige habe im November 2014 einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, berichten ihre Brüsseler Ärzte jetzt in der Fachzeitschrift „Human Reproduction“.
Das Verfahren, Frauen vorsorglich entnommenes Eierstockgewebe nach einer überstandenen Chemotherapie einzupflanzen und sie so wieder fruchtbar zu machen, ist nicht neu. Ungewöhnlich aber ist die frühe Entnahme des Gewebes.
Bei der im Kongo geborenen Frau war im Alter von fünf Jahren die Blutkrankheit Sichelzellenanämie festgestellt worden. Nach ihrer Ankunft in Belgien mit elf Jahren entschieden ihre Ärzte, dass eine Knochenmarkspende mit begleitender Chemotherapie notwendig sei. Dem Mädchen wurde Knochenmark ihres Bruders transplantiert. Um eine Abstoßungsreaktion zu verhindern, ging die Behandlung mit einer Chemotherapie und Bestrahlung einher. Weitere 18 Monate lang musste sie Immunsuppressiva einnehmen.
Da diese Therapien die Eierstöcke dauerhaft schädigen können, wurde der damals 13-Jährigen vor Beginn der Behandlung der rechte Eierstock entnommen und eingefroren. Die Patientin hatte damals noch keine Menstruation.
Im Zuge der Behandlung verlor der im Körper verbliebene linke Eierstock die Fähigkeit, Eizellen heranreifen zu lassen. Mit 15 Jahren bekam die Patientin ergänzend eine Hormontherapie.
Kinderwunsch mit Mitte 20 - Zehn Jahre später wandte sich die wieder gesunde Frau an das Erasmus Hospital der Freien Universität Brüssel - mit Babywunsch. Die Reproduktionsmedizinerin Isabelle Demeestere und ihr Team stoppten daraufhin die Hormongabe und setzten der Frau Teile des entnommenen Eierstocks wieder ein: Vier Fragmente pflanzten sie direkt auf den verbliebenen Eierstock, elf weitere an andere Stellen im Körper. Die Eizellproduktion kam wieder in Gang, nach fünf Monaten setzte die Menstruation ein. Zwei Jahre später kam ein auf natürlichem Weg gezeugter Junge zur Welt.
„Das ist ein wichtiger Durchbruch in diesem Bereich, denn Kinder sind die Patienten, die in Zukunft am meisten von dem Verfahren profitieren können“, sagte Demeestere. Inwieweit Eierstockgewebe jüngerer Mädchen, die noch nicht am Beginn der Pubertät stehen, später erfolgreich eingesetzt werden könne, sei allerdings noch unklar.