WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Erstmals gelang es, das vollständige Erbgut eines prähistorischen Afrikaners zu bestimmen
Baku, 9. Oktober, AZERTAC
Erstmals gelang es, das vollständige Erbgut eines prähistorischen Afrikaners zu bestimmen. Es belegt: Vor 3000 Jahren gab es eine Einwanderungswelle nach Afrika.
Vor etwa 60.000 bis 40.000 Jahren verbreitete sich der moderne Mensch, der Homo sapiens, von Afrika über die ganze Welt aus. Doch manche seiner Art zogen auch nach Afrika zurück: Der Kontinent war vor etwa 3000 Jahren Ziel einer massiven Einwanderungswelle aus Vorderasien, berichtet ein internationales Team um Marcos Gallego Llorente von der englischen Universität Cambridge im Fachjournal „Science“.
Die Zuwanderer brachten offenbar die Landwirtschaft und diverse Getreidearten mit. Sie hinterließen deutliche Spuren im Erbgut von Bevölkerungsgruppen auf dem gesamten Kontinent - bis hin nach Südafrika. Das zeigt die Erbgutanalyse von Knochen eines Mannes, der vor etwa 4500 Jahren im Hochland von Äthiopien lebte.
Er lieferte ein wichtiges Puzzleteil in der Frühgeschichte Afrikas. Während etwa die DNA eines Neandertalers in Europa oder von prähistorischen Menschen aus Asien und Amerika bekannt ist, gelang es Forschern bislang nicht, das Genom eines prähistorischen Afrikaners zu bestimmen. Die Hoffnung der Forscher. Vergleicht man dieses mit dem Genom moderner afrikanischer Bevölkerungsgruppen, könnte man den Einfluss anderer Gruppen bestimmen.
Den frühen Afrikaner fanden Forscher 2012 in der Mota-Höhle in Äthiopien. Aus Ohrknochen des Mannes gewannen sie das erste vollständige Erbgut eines prähistorischen Afrikaners. Sein Alter wurde mit der Radiokarbonmethode auf etwa 4500 Jahre bestimmt - er lebte also lange vor der Rückwanderung. Dem kühlen und trockenen Klima der fast 2000 Meter hohen Region sei es zu verdanken, dass dieses Skelett so gut erhalten blieb, schreiben die Wissenschaftler.
Einwanderer entsprachen bis zu 30 Prozent der Bevölkerung - Das Genom ähnelt dem einer heute im äthiopischen Hochland lebenden Gruppe, den Ari. Spuren eurasischer Gruppen fanden sich in seinem Genom nicht. Aus dem Abgleich mit verschiedenen heutigen afrikanischen Bevölkerungen berechneten die Forscher, wie groß der Einfluss des eurasischen Rückflusses war. Demnach waren die Wanderungen nach Afrika sehr viel umfangreicher als bisher angenommen.
„Die Welle westeurasischer Migration ans Horn von Afrika könnte grob bis zu 30 Prozent der damals dort ansässigen Bevölkerung entsprochen haben - das finde ich überwältigend“, wird Studienleiter Andrea Manica in einer Mitteilung der Universität Cambridge zitiert. Besonders überraschend ist, dass sich genetische Spuren der Zuwanderer in ganz Afrika finden. Selbst bei weit entfernten Gruppen wie den Yoruba in Nigeria oder den Mbuti im Kongobecken - die bislang als urafrikanische Referenzgruppen galten - stammen noch sechs bis sieben Prozent des Erbguts von Eurasiern.
Im Genom dieser beiden Gruppen fanden die Forscher auch einen unerwartet hohen Neandertaleranteil von 0,2 bis 0,7 Prozent. Zum Vergleich: Bei Menschen, die ihre Wurzeln außerhalb Afrikas haben, liegt er bei ein bis drei Prozent.
Koautor Michael Hofreiter von der Universität Potsdam findet vor allem eines verblüffend. Die Menschen, die vor 3000 Jahren nach Afrika einwanderten, sind genetisch eng mit denen verwandt, die vor rund 7000 Jahren Ackerbau und Viehzucht aus dem Nahen Osten nach Europa brachten.
Rätselhaft sei allerdings der Grund für die Einwanderung aus Eurasien, sagt Manica: „Die Frage ist: Was brachte sie plötzlich in Bewegung?“