WIRTSCHAFT
Experten fürchten Finanzkrise in China
Baku, den 15. Juli (AZERTAG). Lange galt China als wichtigster Treiber der Weltwirtschaft - doch nun drohen dem Land ernsthafte Probleme. Das Wachstumstempo verlangsamt sich, der Unternehmenssektor ist überschuldet. Schon sprechen sogar staatliche Ökonomen von einer Finanzkrise.
Chinas Wirtschaft ist im zweiten Quartal dieses Jahres deutlich langsamer gewachsen. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum legte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach staatlichen Angaben nur noch um 7,5 Prozent zu. In Europa oder den USA würde man sich über solche Wachstumsraten freuen. Doch für ein Schwellenland wie China, das enormen Nachholbedarf hat und jahrelang mit rund zehn Prozent pro Jahr gewachsen ist, wird die Zahl als Symptom einer sich anbahnenden Krise wahrgenommen.
Bereits im vergangenen Jahr hatte sich das Wachstumstempo der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt deutlich verlangsamt. Mit 7,8 Prozent war das BIP so schwach gestiegen wie seit 1999 nicht mehr.
2013 geht es nun weiter abwärts. Offiziell erwartet die Regierung für das Gesamtjahr ein Plus von 7,5 Prozent. Doch ob die Prognose zu halten ist, ist fraglich. In der vergangenen Woche sprach Finanzminister Lou Jiwei plötzlich nur noch von sieben Prozent. Dass die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua die Aussagen des Ministers einen Tag später widerrief, zeugt davon, wie nervös die chinesische Führung in Peking angesichts der Wirtschaftslage offenbar ist.
Der Sprecher des Statistikamts, Sheng Laiyun, gab sich vorsichtig: „Wichtige ökonomische Indikatoren bleiben innerhalb der erwarteten Grenzen“, sagte er, „aber das wirtschaftliche Umfeld bleibt komplex.“
Eine Wachstumskrise in China hätte Auswirkungen auf der ganzen Welt. Gerade für deutsche Firmen ist das Land einer der wichtigsten Exportmärkte. Ohne die Nachfrage aus China droht zum Beispiel den großen Autoherstellern eine schwere Flaute.
„Wir müssen die Blase platzen lassen“ - Zuletzt hatten sich die schlechten Nachrichten aus China gehäuft. Im Juni waren die Exporte überraschend eingebrochen. Auf 3,1 Prozent bezifferte die Zollverwaltung den Rückgang im Vergleich zum Vorjahresmonat. Zudem bereitet der überschuldete Unternehmenssektor Experten große Sorgen. Schätzungen zufolge sind die chinesischen Firmen mit mehr als 150 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts verschuldet. Die staatlichen Banken hatten den Boom jahrelang durch günstige Kredite angeheizt. Nun drohen viele dieser Kredite auszufallen - was den Finanzsektor in große Probleme stürzen könnte.
Die chinesische Zentralbank versucht gegenzulenken und verknappt die Geldversorgung der Banken, damit diese ihre Kreditvergabe drosseln. Doch diese Politik ist gefährlich: Sie könnte nicht nur für Turbulenzen in der Finanzbranche sorgen, sondern auch das Wirtschaftswachstum stärker als geplant abwürgen.
Sogar staatliche Ökonomen zeigen mittlerweile offen ihre Besorgnis. Die Frage, ob China mit 7 oder 7,5 Prozent wachse, sei gegenstandslos, zitiert der Finanzdienstleister Market News den Pekinger Regierungsberater Xia Bin. Die Wirtschaft stecke bereits in einer Finanzkrise, die sich nur noch verschlimmere, wenn die Regierung das Schuldenproblem nicht angehe.
„Wir müssen so schnell wie möglich Wege finden, die Blase platzen zu lassen und die Verluste, die wir schon haben, abzuschreiben, um eine noch größere Krise zu vermeiden“, sagte Xia. Der Anpassungsprozess, den China durchlaufen müsse, bringe automatisch langsameres Wachstum mit sich, erklärte der Ökonom. „Das bedeutet eine schwere Zeit, den Bankrott einiger Firmen und Finanzinstitute - und es bedeutet Reformen.“
Die Anleger an der Börse wollten davon am Montag nichts wissen. Sie feierten die neueste Wachstumszahl mit Aktienkäufen und steigenden Kursen - sie hatten Schlimmeres erwartet.