GESELLSCHAFT
Großes Strahlenrisiko für die Umgebung des AKW
Baku, den 18. November (AZERTAG). Mehr als 1500 hochradioaktive Brennstäbe lagern noch in einem Abklingbecken im havarierten Atomkraftwerk Fukushima. Nun beginnt die Betreiberfirma Tepco mit der Bergung. Die heikle Operation wird wohl bis Ende 2014 dauern und gilt als technische Herausforderung.
In der Atomruine Fukushima hat am Montag die Bergung von rund 1500 Brennstäben aus dem Abklingbecken eines beschädigten Reaktorgebäudes begonnen. Die in einem Becken in rund 30 Metern Höhe von kleinen Trümmerteilen umgebenen Brennstäbe gelten neben den täglich zunehmenden Massen verseuchten Wassers als eine der größten Gefahrenquellen auf dem AKW-Gelände.
Die voraussichtlich ein Jahr lang dauernde Bergung müsse mit „höchster Vorsicht“ erfolgen, erklärte der Chef der Atomaufsichtsbehörde, Shunichi Tanaka. Das Gebäude des Reaktors 4 war bei einer Wasserstoffexplosion infolge des Erdbebens und Tsunamis vom März 2011 beschädigt worden.
Das Bergen von Brennstäben aus Abklingbecken gehört normalerweise zur Routinearbeit in Atomkraftwerken. Die hohe Strahlenbelastung auf dem Kraftwerksgelände und Beschädigungen am Reaktorgebäude 4 erschweren die Arbeiten jedoch. So sind bei der Wasserstoffexplosion Trümmerteile in das Abklingbecken gefallen und befinden sich nun neben den Brennstäben.
Arbeitskräfte sollen die 1331 abgebrannten sowie 202 unbenutzten Brennstäbe einen nach dem anderen mit einem ferngesteuerten Greifer in einen Castor-ähnlichen Behälter hieven. Dieser Vorgang geschieht noch im Abklingbecken unter Wasser.
„Sehr großes Risiko“ - Sobald der Container mit 22 der 4,5 Meter langen Brennstäbe gefüllt ist, wird er mit einer Kranvorrichtung auf einen Lkw gehoben. Dieser bringt ihn dann zu einem anderen Gebäude in rund hundert Metern Entfernung, wo die Brennstäbe laut Tepco sicherer als bisher gelagert werden können. Experten fürchten, dass das mit mehr als 1500 Stäben gefüllte Abklingbecken bei einem Erdbeben beschädigt werden könnte - in diesem Fall könnten große Mengen radioaktiver Stoffe austreten.
„Abgebrannter Brennstoff birgt potenziell ein sehr großes Risiko“, sagte Tanaka kürzlich zu der nun begonnenen Bergung. Er selbst sei darüber mehr besorgt als über das Problem mit denriesigen Mengen verstrahlten Wassers. Der Betreiber Tepco versicherte jedoch, dass eine erneute Katastrophe samt Kernspaltung sehr unwahrscheinlich sei. Die für die Bergung installierten Spezialvorrichtungen sollen sicherstellen, dass keine Brennstäbe versehentlich herunterfallen.
Selbst wenn ein Brennstab brechen und Strahlung freigesetzt würde, so versichert Tepco, bestehe kein großes Strahlenrisiko für die Umgebung des AKW. Damit während der Bergungsarbeiten keine Radioaktivität nach außen gelangt, hat Tepco das Gebäude abgedeckt. Man habe „alle möglichen“ Sicherheitsmaßnahmen getroffen, versicherte Tepco-Chef Naomi Hirose. Kritiker sind jedoch angesichts immer wieder auftretener Pannen wie Lecks in Tanks mit hochgradig verseuchtem Wasser von den Fähigkeiten Tepcos nicht überzeugt.
Kernkraftgegner warnen, die Hunderte von Tonnen Brennstoff könnten das Tausendfache an Strahlung der Atombombe von Hiroshima freisetzen. Experten halten das jedoch für abwegig, zumal sich die Brennstäbe in dem Becken in den vergangenen drei Jahren längst ausreichend abgekühlt hätten. Reaktor 4 war zum Zeitpunkt des Erdbebens am 11. März 2011 wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet.
Die Umlagerung gilt als erster großer Schritt zur Stilllegung des AKW. Der vollständige Rückbau der Anlage dürfte etwa 30 bis 40 Jahre dauern. Die größte Herausforderung sind dabei zweifellos die Reaktoren 1 bis 3, in denen es jeweils zu einer Kernschmelze gekommen ist.