GESELLSCHAFT
Im Wasser lebende Tierarten in Gefilden ausgebreitet
Baku, den 14. Oktober (AZERTAG). Eingeschleppte Tierarten können heimische Spezies verdrängen und Ökosysteme durcheinanderbringen. Manchmal aber misslingt die Invasion. Biologen haben jetzt ergründet, warum ein nordamerikanischer Flohkrebs in Europas Bächen und Seen kaum eine Chance hat.
Sie reisen in Ballastwasser-Tanks oder auch am Rumpf von Schiffen durch die Meere und finden so eine neue Heimat. Durch die Schifffahrt haben sich zahlreiche im Wasser lebende Tierarten in Gefilden ausgebreitet, in denen sie ursprünglich unbekannt waren. Die Zebramuschel etwa oder die chinesische Wollhandkrabbe haben so neue Lebensräume erobert. Auch an Bord von Autos, Zügen oder Flugzeugen werden Tier- und Pflanzenarten eingeschleppt.
Doch manchmal misslingt es den Invasoren, in einem neuen Gebiet Fuß zu fassen - wie etwa dem nordamerikanischen Flohkrebs. Flohkrebse sind Krebstiere, die in der Regel weniger als zwei Zentimeter groß werden. Crangonyx pseudogracilis kam bereits vor Jahrzehnten in Europas Flüssen und Seen an - doch durchsetzen konnte er sich bislang nicht. Ein internationales Forscherteam hat jetzt untersucht, was dem Eindringling zu schaffen macht.
Den Biologen um Calum MacNeil und Jaimie Dick von der Queens University Belfast (Nordirland) war bereits klar, dass zwei heimische Flohkrebsarten die Invasoren fressen. Nun untersuchten sie das Verhältnis der drei Spezies nun genauer, wie sie im Fachmagazin „NeoBiota“ berichten.
Hungrige Gammarus-Männchen - In mehr als 300 Wasserproben aus Irland und der Isle of Man zeigte sich demnach bereits eine klare Verteilung. Die eingeschleppte Art fand sich in 38 Prozent der Proben. Lebte in den Bächen und Teichen aber der Gewöhnliche Flohkrebs (Gammarus pulex), so fand sich der Einwanderer in nur acht Prozent der Proben. War Gammarus pulex celticus - eine andere heimische Art - vertreten, fanden sich zu 18 Prozent die nordamerikanischen Vettern.
In die Studie flossen nur Proben ein, die aus relativ sauberen Gewässern stammten, denn der nordamerikanische Flohkrebs übersteht höhere Schadstoffkonzentrationen als seine europäischen Verwandten.
Machten also die einheimischen beiden Gammarus-Arten dem Einwanderer zu schaffen? Dieser Frage gingen die Biologen in einem Laborexperiment nach. Dafür setzten sie zwischen zwei und 40 der pflanzenfressenden Neuankömmlinge zu je einem Gammarus-Männchen - und zählten nach 16 Stunden durch.
Das Ergebnis: Ein Gammarus pulex celticus kann pro Tag 14, ein Gammarus pulex sogar 17 Crangonyx-Exemplare töten. Wie die Forscher berichten, können die Weibchen des amerikanischen Einwanderers aber nur alle 22 Tage rund 33 Nachkommen produzieren - pro Tag wären das rund 1,5. Diese Fortpflanzungsrate ist offensichtlich zu gering, wenn derart hungrige Verwandte im gleichen Gewässer auf der Jagd sind - was die misslungene Invasion erklärt.