WELT
In jeder Wohnung leben Hundert Tierarten
Baku, 19. Januar, AZERTAC
Diese Ergebnisse sind nichts für Hygienefanatiker. In US-Haushalten haben Forscher eine Vielzahl von Krabbeltieren entdeckt. Kein einziges Haus war frei von unliebsamen Mitbewohnern.
Krabbeln, kriechen, knabbern. Die Wohnung lebt. Fast 600 verschiedene Arten von Insekten, Spinnen, Milben und anderen Tierchen haben Forscher in Haushalten in den USA ausfindig gemacht. Im Mittel sind in jedem Haushalt etwa hundert verschiedene Arten von Krabbeltieren unterwegs.
Neben Fliegen und Käfern seien vor allem Spinnen, Ameisen und Bücherläuse typische Mitbewohner, berichten Matt Bertone von der North Carolina State University und Kollegen im Fachjournal "PeerJ". Die gute Nachricht: Schädlinge sind nur die wenigsten von ihnen. Die weniger gute, vor allem für Menschen mit Krabbeltier-Phobie: Komplett frei von kleinen Mitbewohnern waren nur fünf von mehr als 550 untersuchten Räumen. Dabei handelte es sich um vier Bade- und ein Schlafzimmer.
Die Wissenschaftler hatten in der Stadt Raleigh, in der auch die North Carolina State University sitzt, und in ihrer Umgebung 50 freistehende Häuser mit insgesamt 554 Zimmern durchstöbert. Dabei beschränkten sie sich nur auf sichtbare Flächen, gut zugängliche Ecken unter Schränken eingeschlossen, und dokumentierten alle aufgespürten Gliederfüßer (Arthropoden) - egal ob lebend oder tot.
Zu den Gliederfüßern gehören unter anderem Insekten, Tausendfüßer, Krebs- und Spinnentiere. In den einzelnen Häusern fanden die Forscher zwischen 32 und 211 optisch klar unterscheidbare Arten, im Durchschnitt waren es um die hundert. Insgesamt erfassten sie 579 verschiedene Spezies.
Speckkäfer, Gallmücken und Ameisen in jedem Haus - "Unsere Häuser bieten viel mehr Biodiversität, als die meisten Leute denken", sagt Bertone. "Wir stellen uns unser Zuhause oft als sterile Umgebung vor, aber das ist sie nicht." Unser Lebensraum sei auch der vieler anderer Arten - nur gebe es meist kaum Berührungspunkte und die Mitbewohner würden gar nicht bemerkt.
Haubennetzspinnen (Theridiidae) etwa wurden in allen Häusern und in zwei Dritteln aller Räume gefunden. Immer im Haus unterwegs waren zudem Speckkäfer, Gallmücken und Ameisen, fast immer gab es Bücherläuse und Trauermücken.
Die Forscher stießen auch auf versehentliche Besucher wie Kleinzikaden (Cicadellidae). Viele der gefundenen Arten lebten nicht ständig in den Haushalten, sondern seien von draußen ins Haus gelangt, etwa in Blumensträußen, erklärt Bertone. In der Wohnung blieben sie dann meist nicht mehr lange. Ein weiteres Beispiel dafür seien Gallmücken, die sich von Pflanzen außerhalb der Häuser ernähren.
Schädlinge in drei von vier Haushalten - Zu den mengenmäßig wenigen Schädlingen, die die Forscher aufspürten, zählten diverse Schabenarten wie die Rauchbraune Großschabe (Periplaneta fuliginosa) und die Amerikanische Großschabe (Periplaneta americana). Sie kamen in knapp drei Vierteln der Haushalte vor. Seltener waren Termiten (28 Prozent der Häuser), Flöhe (10 Prozent) und die Deutsche Schabe (Blattella germanica, 6 Prozent).
"Die überragende Mehrheit der Gliederfüßler, die wir in den Häusern fanden, waren keine Schädlinge, sondern friedliche Mitbewohner", sagt Bertone. Lästige Arten wie Staubmilben, Silberfischchen oder Kleidermotten habe es allerdings durchaus im Großteil der Häuser gegeben. Bettwanzen waren nicht darunter.
Die Forscher wollen ihre Analyse nun ausweiten. "Wir wollen auch in anderen Gegenden der USA Proben nehmen und erwarten da auch Unterschiede", sagt Bertone. Viele der Arthropoden seien aber weitverbreitet - in den USA und der ganzen Welt. "Sie reisen seit Jahrhunderten mit den Menschen mit."
Küchenschaben - Eine ähnlich umfassende und detaillierte Studie für Deutschland gibt es nach Angaben des Umweltbundesamts (UBA) nicht. Zumindest der Anteil der hierzulande vorkommenden Haushaltsschädlinge dürfte aber in etwa dem Wert aus den USA entsprechen, schätzt eine Mitarbeiterin der Zoologischen Staatssammlung München. Küchenschaben verursachten in Deutschland neben Mäusen und Ratten die meisten Probleme, berichten Schädlingsbekämpfer.
"Vieles, was bei uns in den Häusern herumkrabbelt, ist nicht gefährlich. Aber die Grenze, ab der man etwas noch okay findet oder sich ekelt, ist bei jedem anders", sagt Andreas Beckmann, Geschäftsführer des Deutschen Schädlingsbekämpferverbands. So seien Silberfischchen in der Wohnung für manche tolerabel, für andere aber nicht.