GESELLSCHAFT
Junge Frau, die seit ihrer Geburt HIV-positiv ist
Baku, 21. Juli, AZERTAC
Ein Fall aus Frankreich lässt Aids-Forscher hoffen. Eine junge Frau, die seit ihrer Geburt HIV-positiv ist, bekommt seit zwölf Jahren keine Medikamente mehr. Trotzdem vermehren sich die Viren kaum.
Die heute 18-Jährige steckte sich noch im Mutterleib oder bei der Geburt mit HIV an. Doch obwohl die junge Französin seit zwölf Jahren keine Medikamente mehr nimmt, die die Viren unterdrücken, hält ihr Körper die Infektion in Schach. Diesen außergewöhnlichen Fall haben Ärzte auf einem Kongress der internationalen Aids-Gesellschaft im kanadischen Vancouver vorgestellt.
Der Fall unterstreicht die von vielen Experten gehegte Hoffnung, dass eine früh einsetzende, aggressive Behandlung mit HIV-Medikamenten verhindern kann, dass die Viren sich im Körper vermehren. Bestenfalls können HIV-Positive dann über viele Jahre oder sogar ein Leben lang ohne die mit schweren Nebenwirkungen behafteten Arzneien auskommen.
Allerdings ist die junge Frau nicht geheilt, betonen die Ärzte. Die Viren lassen sich immer noch in ihrem Körper nachweisen. „Sie ist in Remission, aber sie ist infiziert“, sagt Asier Saez-Cirion vom Pasteur-Institut in Paris über seine Patientin.
Als Baby hatte sie zuerst sechs Wochen lang den Wirkstoff AZT bekommen, die Standardtherapie zu dieser Zeit. Weil ihr HIV-Spiegel hoch blieb, erhielt sie eine stärkere Kombination aus vier verschiedenen Wirkstoffen. Als das Kind sechs Jahre alt war, verloren die Ärzte den Kontakt.
Erst ein Jahr später kam die Mutter wieder mit dem Mädchen zum Arzt und berichtete, sie habe die Medikamentengabe abgebrochen. Trotzdem fanden sich im Blut des Kindes erst einmal keine Viren - sie konnten nur mit sehr empfindlichen Tests nachgewiesen werden. Als sie elf war, stieg ihr HIV-Spiegel einmal kurz an, sank jedoch ohne Therapie wieder ab.
Sie verfüge über keine der Genvarianten, die dafür bekannt sind, dass sie ihren Trägern eine größere Widerstandskraft gegen HIV verleihen, sagt Saez-Cirion. Und bevor sie die Medikamente erhalten habe, sei ihr Körper nicht von sich aus in der Lage gewesen, die Infektion einzudämmen. Beides spreche dafür, dass die frühe Behandlung zu der andauernden Remission geführt habe.
„Das ist ein aufregender Fall“, sagt Francoise Barré-Sinoussi, die für die Entdeckung des HI-Virus 2008 mit dem Nobelpreis für Medizin ausgezeichnet wurde. „Es ist aber ungewiss, ob die Remission anhält.“ Der Fall liefere jedoch weitere klare Hinweise darauf, dass es sinnvoll ist, so früh wie möglich mit der Behandlung zu beginnen.
Es sind zwar schon mehr als ein Dutzend Fälle bekannt, in denen HIV-Infizierte im Schnitt zehn Jahre eine Pause von der Medikamenten-Einnahme einlegen konnten, ohne dass sich die Viren in ihrem Körper übermäßig vermehrten. Der nun präsentierte Fall ist jedoch der erste im Kindes- und Jugendalter.
Einen ähnlichen Fall hatten Ärzte 2013 in den USA vorgestellt. Doch bei dem Kleinkind, das über viele Monate ohne Medikamente eine Remission erlebte, vermehrten sich die HI-Viren schließlich wieder rasant. Das Mädchen musste daher die antiretrovirale Therapie wieder aufnehmen.