WELT
Mike Pence: "Die Ära der strategischen Geduld ist vorbei"
Baku, 18. April, AZERTAC
Donald Trumps Stellvertreter überbrachte eine politisch-militärische Botschaft - an Nordkorea und seinen atomwaffenwilden Diktator Kim Jong Un, aber auch an Südkorea, China und den Rest der Welt.
"Die Ära der strategischen Geduld ist vorbei", sagte US-Vizepräsident Mike Pence. Entweder werde sich China für die Lösung des Problems einsetzen, "oder die USA und unsere Alliierten werden es tun".
Erinnerungen an die Kubakrise - Das war keine neue Drohung. Doch ihr Schauplatz - in nordkoreanischer Sichtweite - war eindeutig: Für Washington ist Nordkorea Krisenherd Nummer eins geworden.
Google berichtet, mehr Menschen denn je suchten nach dem Begriff "Dritter Weltkrieg". Angestaubte Schutzhandbücher für Atomangriffe zirkulieren im Internet. Der Sicherheitsexperte Robert Litwak vom Woodrow Wilson Center erinnerte in der "New York Times" an die nukleare Paranoia zum Höhepunkt des Kalten Krieges: Dies sei wie die "Kubakrise in Zeitlupe". Die Kubakrise führte Russland und die USA 1962 an den Abgrund des Atomkriegs.
Die jüngsten Äußerungen beider Seiten in der aktuellen Krise machen wenig Mut. Was er Nordkorea zu sagen habe, wurde Trump am Montag beim traditionellen Ostereierlauf des Weißen Hauses gefragt. Seine Antwort: "Sie müssen sich benehmen!" Woraufhin der nordkoreanische Uno-Vizebotschafter Kim In Ryong aus New York zurückschoss. "Auf der Halbinsel kann jeden Moment ein thermonuklearer Krieg ausbrechen", warnte er auf einer Pressekonferenz.
Am Wochenende hatte sich die Lage dramatisch hochgeschaukelt. Kim ließ mit einer Militärparade die Muskeln spielen, scheiterte dann aber mit einem Raketentest. US-Kriegsschiffe kreuzten vor Nordkoreas Küste. Das Weiße Haus dementierte Meldungen von einem Präventivschlag, die es offenbar selbst lanciert hatte, eine offensichtliche Verunsicherungstaktik. Mit Pjöngjangs sechstem Atomwaffentest wird unterdessen weiter gerechnet - und was danach geschehen würde, das bleibt beängstigende Spekulation.
Denn während bisher Nordkorea der unberechenbare Faktor war, sitzt nun ein weiterer im Weißen Haus. Keiner weiß, was Trumps nächsten Reflex auslöst - ein TV-Bild, eine Bemerkung seiner Tochter Ivanka oder, wie neulich, eine zehnminütige Nordkorea-Lektion des chinesischen Präsidenten Xi Jinping, die ihn zu der Erkenntnis bewegte: "Es ist nicht so einfach." Trump fehlt das Interesse an Details, das politische Wissen - und das Bewusstsein für die in diesem Fall verheerenden Folgen.
"Alle Optionen für Nordkorea stehen zur Debatte", twitterte der demokratische US-Abgeordnete Adam Schiff. "Inklusive absolutes Desaster."
Weshalb Pence die aufgeheizte Rhetorik am Montag denn auch gleich wieder zurückschraubte: "Wir werden unsere Bemühungen verstärken, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Nordkorea auszuüben", sagte er in Südkorea. "Wir hoffen, dass wir dieses Problem friedlich lösen können."
So bleibt China Trumps letzte Hoffnung, da es die einzige Macht ist, die Einfluss auf Nordkorea hat. Eine ironische Wendung, hatte Trump im Wahlkampf doch noch inbrünstig gegen Peking gepoltert. Doch Politik ist für ihn nichts als eine Reihe von Transaktionen, wie ein Immobiliendeal: Überzeugungen werden nach Bedarf gewechselt, verworfen, dementiert.
China - das im Koreakrieg auf Nordkoreas Seite gestanden hatte - signalisierte Bereitschaft, sich als Vermittler zur Verfügung zu stellen. Denn ein atomar bewaffnetes Nordkorea ist nicht in seinem Sinne. Aber auch nicht ein Kollaps des Regimes, das ihm als Puffer dient gegen Südkorea mit seinen US-Stützpunkten - ganz zu schweigen von den Toten und Flüchtlingsströmen eines neu entflammenden Kriegs jenseits seiner Landgrenze zur Halbinsel.
Die Lage bleibt trotzdem völlig unkalkulierbar, für die Akteure wie die Beobachter. "Ich habe die Kubakrise mitgemacht, den Vietnamkrieg, die zwei Irakkriege", sagte Armeeveteran Lawrence Wilkerson, Ex-Stabschef des früheren US-Außenministers Colin Powell, im TV-Sender MSNBC. "Ich muss sagen, ich habe mich noch nie so um dieses Land und die Welt gesorgt wie jetzt."