WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Nasa will Oldie-Teleskop entmotten
Baku, den 2. August (AZERTAG). Die US-Weltraumbehörde Nasa will zu einem Asteroiden fliegen - doch zu welchem genau? Bei näherem Hinsehen wir die Zahl möglicher Reiseziele verschwindend klein. Nun könnte ein Teleskop helfen, das eigentlich schon im Technik-Ruhestand ist.
Sie sind irgendwo da draußen. Und sie werden unsere Erde treffen. Die Frage ist bestenfalls, wann - und wie verheerend. Die Explosion eines Meteoriten über der russischen Millionenstadt Tscheljabinsk im Februar hat die Menschheit unsanft daran erinnert, wie gefährlich kosmische Geisterfahrer sein können. Dabei war der Brocken mit einem Durchmesser von 15 Metern geradezu lächerlich klein.
Die US-Weltraumbehörde Nasa denkt nun darüber nach, ein derzeit ungenutztes Weltraumobservatorium für die Suche nach Asteroiden zu reaktivieren. Nach Angaben von Nasa-Mitarbeiter Lindley Johnson prüfe man derzeit, das „Wise“- Infrarotteleskop wieder in Betrieb zu nehmen. Das war eigentlich im Jahr 2009 gestartet worden, um aus mehr als zweieinhalb Millionen Einzelbildern eine Himmelskarte von bisher ungekannter Präzision vorzulegen. Nach dem offiziellen Ende dieser Mission war „Wise“ dann schon einmal kurz auf Asteroidensuche geschickt worden. Das Projekt namens „Neowise“ fand unter anderem 134 Objekte in Erdnähe. Dafür reichten zwei der ursprünglich vier Sensoren Bord aus, die anderen waren aus Mangel an Kühlmittel zu warm geworden. Im Februar 2011 war die Suche dann aus Geldmangel komplett eingestellt worden. Seit dem zieht das Teleskop in gut 510 Kilometern Höhe still seine Bahn.
Johnson, der bei der Nasa die Abteilung für erdnahe Objekte leitet, sagte nun einem Aufsichtsgremium, die Wiederinbetriebnahme von „Wise“ wäre eine Möglichkeit, die Asteroidensuche zu verstärken. Bis zu drei weitere Jahre könne das Teleskop wohl noch laufen. Laut dem aktuellen Haushaltsentwurf der Obama-Regierung stünden für die Fahndung nach potentiell gefährlichen Flugkörpern im kommenden Haushaltsjahr 20 Millionen Dollar zur Verfügung. Nach Ansicht von Lindley Johnson ließe sich die Reaktivierung von „Wise“ möglicherweise bereits mit diesem Budget bestreiten.
Doch der Senat - wo die Demokraten das Sagen haben - und das Repräsentantenhaus - wo die Republikaner am längeren Hebel sitzen - sind zerstritten wie nie über den milliardenschweren Haushalt der Weltraumbehörde. Und über die Frage, was diese mit dem Geld eigentlich anstellen soll. Etwas vereinfacht gesagt, wollen die Republikaner mit möglichst wenig Geld (16,9 Milliarden Dollar) den Mond und später den Mars erkunden - aber keinesfalls einen Asteroiden. Die Demokraten wiederum wollen mit etwas mehr Finanzmitteln (18,1 Milliarden Dollar) genau dort hin. Und anschließend ebenfalls zum Mars.
Nasa-Vizechefin lobt „überwältigende Beteiligung“ - Ein erster Schritt soll dabei eine Roboter-Mission sein, die ab 2017 abheben könnte. Der Plan sieht vor, einen vergleichsweise kleinen - und dennoch 400 Tonnen schweren - Asteroiden einzufangen. Nach einer Studie des Keck Institute for Space Studies im kalifornischen Passadena würde sie 2,6 Milliarden Dollar kosten. Davon stehen 105 Millionen im Obama-Entwurf des nächsten Nasa-Haushaltsplans.
Eine Sonde würde sich auf den Weg machen, den Felsbrocken in einer Art riesiger Einkaufstüte verpacken - und bis 2021 dank Ionentriebwerken an Bord auf eine ferne Umlaufbahn um den Mond schicken. Dort könnte er etwa vier Jahre später von Astronauten besucht werden - zum Beispiel, um Proben zu nehmen. Vor allem aber, damit die Raumfahrer für eine interplanetare Reise zum Mars trainieren können, so die Nasa.
Im Rahmen eines am Dienstag zu Ende gegangenen internen Ideenwettbewerbs hat die Weltraumbehörde bereits verschiedene Missionskonzepte diskutiert. Außerdem haben auf Bitten der staatlichen Raumfahrtplaner 400 Firmenvertreter, Wissenschaftler und Privatleute eigene Vorschläge für die Asteroidenmission gemacht. Sie sollen nun auf einem Workshop im September weiter besprochen werden. Nasa-Vizechefin Lori Garver lobte schon einmal die „überwältigende Beteiligung“.
Doch die geplante Mission hat ein fundamentales Problem. Die Amerikaner werden Schwierigkeiten haben, überhaupt ein passendes Reiseziel zu finden. Das Wissenschaftsmagazin „Nature“ berichtete vor einigen Tagen von einem Workshop der National Academy of Sciences. Dabei hatte unter anderem der Planetenforscher Jim Bell von der Arizona State University in Tempe beklagt, dass es „sowohl in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch in der Öffentlichkeit“ gehörige Zweifel an der geplanten Mission gebe.
Nasa-Asteroidenexperte Paul Chodas rechnete vor, dass von den mehr als 10.000 Asteroiden in Erdnähe nur 370 klein genug seien, um eingefangen zu werden. Das heißt, ihr Durchmesser liegt um zehn Meter. Von den 370 Kandidaten hätten aber lediglich 14 eine passende Umlaufbahn. Und aus dieser Gruppe wisse man wiederum nur von vier Exemplaren genug über ihre Oberfläche und Rotationsgeschwindigkeit. Das gewünschte Ziel soll sich nämlich nicht öfter als zwei Mal in der Minute um sich selbst drehen - um den anfliegenden Forschungsroboter nicht gleich zu lädieren.
Bei einer neuen Suche könnten die Experten in den kommenden drei bis vier Jahren mindestens 15 neue Zehn-Meter-Asteroiden finden, so Chodas. „Wise“ könnte dabei helfen, ebenso eine Aufrüstung zweier Teleskopanlagen auf Hawaii.