GESELLSCHAFT
Neue Studie: Wenn Männer nicht mehr Hauptteil zur Haushaltskasse beisteuern, werden beide Partner davon profitieren
Baku, 20. August, AZERTAC
Frau hütet Haus und Kind, Mann bringt das Geld nach Hause - dieses Klischee steckt in den Köpfen vieler Menschen. Eine Studie zeigt, dass ein Abrücken von diesem Muster beiden Geschlechtern gut tut.
Jahrzehntelang kämpften vor allen Dingen Frauen gegen ein klassisches Familienbild, das bis in die 1960er-Jahre vorherrschte: Der Mann versorgt mit seinem Job Ehefrau und Kinder, die Frau kümmert sich derweil um den Nachwuchs und Haushalt. Frauen sollten nach Meinung der emanzipatorischen Bewegungen mehr Eigenständigkeit und Selbstverwirklichung erfahren. Neueste Studien legen nahe, dass auch Männer Nutznießer eines veränderten Rollenbildes sind: Sowohl das Wohlbefinden als auch die Gesundheit von männlichen Alleinversorgern leiden unter dem einseitigen Verhältnis.
Über einen Zeitraum von 15 Jahren wurden die Daten einer repräsentativen Gruppe verheirateter Paare im Alter von 18 bis 32 Jahren ausgewertet. Ganz klar zeigte sich, wie bei Männern mit einer Zunahme der finanziellen Verantwortung die seelische Verfassung und der Gesundheitszustand litt. Die größte Belastung für Körper und Psyche entstand, wenn der Mann in die Rolle des alleinigen Versorgers schlüpfen musste.
Alte Rollenklischees sind also auch für die Männerwelt schädlich, betont die Autorin der Studie, Christin Munsch, von der University of Connecticut. Erwartungen an einen Mann, allein oder mit nur geringer Unterstützung für das wirtschaftliche Auskommen zu sorgen, sind mit negativen Begleiterscheinungen verbunden. Ihre Ergebnisse wird die Professorin für Soziologie beim Jahreskongress der American Sociological Association (ASA) am Sonntag in Seattle vorstellen.
Erstaunlicherweise reagieren Frauen auf die finanzielle Verantwortung völlig anders: Wenn sie den Status des Hauptverdieners übernahmen, steigerte sich ihr psychisches Wohlbefinden. Füllten sie jedoch die Haushaltskasse im Verhältnis zum Ehemann mit geringeren Beiträgen, sank hingegen ihr Wohlgefühl.
Munsch erklärt die beobachteten Effekte mit den kulturell verankerten Erwartungshaltungen gegenüber Männern und Frauen. Männer, die den überwiegenden Anteil am Einkommen der Familie beisteuern, sehen den Broterwerb als Verpflichtung und tragen sich mit der Sorge, dieser nicht dauerhaft gerecht zu werden. Dem gegenüber sehen Frauen im Geldverdienen eher eine Chance und die freie Wahl, dies zu tun. Sie sind stolz auf ihre Leistung und kümmern sich nicht darum, was andere sagen würden, wenn der Geldfluss eines Tages versiegen würde.
Die Entkopplung des Hauptversorgers von der Geschlechterzugehörigkeit wertet Munsch als positive Entwicklung. Beide Geschlechter profitierten von dem modernen Lebensmodell: Während bei Männern die körperliche Gesundheit und das Wohlbefinden durch die Arbeitsleistung der Frau zunähmen, verbessert sich mit höherer wirtschaftlicher Verantwortung auch deren Wohlgefühl. Eine klassische Win-Win-Situation also.