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Nickerchen stärken das Gedächtnis
Baku, den 25. September (AZERTAG). Halten Kinder mittags ein Nickerchen, können sie sich Gelerntes besser merken, zeigt eine Studie. Besonders groß ist der Effekt bei regelmäßigen Schläfern. Die Erkenntnis könnte auch lernschwachen Kindern helfen.
Kaum ein Anblick strahlt mehr Ruhe aus als der eines schlafenden Kindes. Doch der äußere Eindruck täuscht. Während Kinder schlafen, verarbeitet ihr Gehirn die Eindrücke, die sie in den Stunden zuvor gesammelt haben. Damit die Informationen richtig gespeichert und wieder abgerufen werden können, sollten die Kleinen mehrfach am Tag schlafen, zeigt eine Studie im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Science“.
40 Kinder im Alter zwischen drei und fünfeinhalb Jahren setzten Forscher um Rebecca Spencer von der University of Massachusetts und Kollegen morgens vor ein virtuelles Kartenspiel, das ähnlich funktioniert wie Memory: 30 Sekunden durften die Kinder sich eine Anordnung von Spielkarten anschauen, auf denen Motive oder Wörter abgebildet waren. Dann wurden die Karten verdeckt und am rechten Bildschirmrand eine weitere Karte angezeigt, zu der die Kinder den Zwilling in der Anordnung finden mussten.
Verpasster Mittagsschlaf lässt sich nicht kompensieren - Jedes Kind machte den Test zwei Mal. Beim ersten Mal hielten die Kinder im Anschluss an das Spiel Mittagsschlaf, im zweiten Versuch, wurden sie wach gehalten. Jeweils nach dem Mittagsschlaf oder der Wachphase und am folgenden Tag spielten die Kinder erneut. Das Ergebnis: Wer wach geblieben war, erriet nachmittags 65 Prozent der Kombinationen, wer geschlafen hatte, schaffte zehn Prozentpunkte mehr. Besonders gut schnitten Kinder ab, die unabhängig von der Studie regelmäßig mittags ein Schläfchen einlegten.
„Die Ergebnisse legen nahe, dass Schlaf zwischendurch unerlässlich für das Lernen zu Beginn des Lebens ist“, schreiben die Forscher. „Wenn der Speicher im Kurzzeitgedächtnis gering ist, muss das Gelernte regelmäßig verarbeitet werden.“ Auch am Tag nach den ersten beiden Spielen blieb das Testergebnis in etwa gleich. „Wenn ein Kind ein Nickerchen verpasst, kann es den positiven Effekt offenbar nicht mit nächtlichem Schlaf aufholen“, erklärt Spencer.
Inhalte festigen sich im Schlaf - Im Schnitt hatten die Kinder mittags eine gute Stunde geschlafen. Um zu überprüfen, was in dieser Zeit im Körper und im Kopf der Kleinen vorging und wie tief sie schliefen, schickten die Wissenschaftler 14 Kinder in ein Schlaflabor und zeichneten dort in einer Polysomnografie deren Hirnströme auf. Die Mehrzahl der Kinder erreichte einen stabilen Schlaf oder Tiefschlaf.
Außerdem zeigte die Analyse einen Zusammenhang zwischen der Dichte sogenannter Schlafspindeln und verbessertem Erinnerungsvermögen bei den Kindern. Das ergibt Sinn: Schlafspindeln sind elektrische Signalmuster im Gehirn, die mit der Festigung von Inhalten im Schlaf in Verbindung gebracht werden. Die Forscher räumen allerdings ein, dass die Teilnehmerzahl der Studie niedrig ist, was die Aussagekraft abschwächt.
Nickerchen gegen Lernstörungen - In den ersten fünf Lebensjahren ändert sich das Schlafverhalten von Kindern besonders extrem. Zu Beginn des Lebens ist es bestimmt von vielen kürzeren Schlafphasen. Mit der Zeit setzt sich Schlafen bei Nacht durch und wird von Nickerchen oder einem Mittagsschlaf begleitet, bis die Kinder etwa im Alter von fünf bis sechs nur noch nachts schlafen - oft auch aus Zeitmangel.
„Bis jetzt gab es keinen wissenschaftlichen Nachweis für die Vermutung vieler Erzieher und Lehrer, dass Nickerchen kleinen Kindern das Lernen leichter machen“, sagt Spencer. „Wir liefern den ersten wissenschaftlichen Nachweis.“ Die Forscher hoffen nun, dass die Erkenntnisse in der Bildungspolitik Beachtung finden. „Kinder sollten nicht nur die Möglichkeit haben zu schlafen, sie sollten dazu ermuntert werden, indem eine Umwelt geschafften wird, die Schlaf unterstützt.“
Es sei auch einen Versuch wert, zu prüfen, inwiefern ein Mittagsschlaf auch Kindern mit Lernstörungen helfen kann. Eine große Studie vom Juli 2013 hatte bereits gezeigt, dass regelmäßige Bettzeiten die geistige Entwicklung von Dreijährigen fördern.