WIRTSCHAFT
Notenbanken sind gegenüber den Märkten machtlos
Baku, den 19. September (AZERTAG). Die US-Notenbank will ihre lockere Geldpolitik nun doch fortführen. Das teilte Notenbankchef Bernanke mit – und steht nun im Kreuzfeuer der Kritik. Es ist eine Blamage für das einflussreiche Institut.
Die Fed hat immer Recht: An den internationalen Finanzmärkten gilt die amerikanische Notenbank beinahe als Säulenheiliger. Nicht nur, dass sie den mit Abstand größten Einfluss auf Zinsentwicklungen rund um den Globus hat. Sie setzt nach verbreitetem Verständnis auch die Standards dafür, auf welche Art und Weise Geldpolitik betrieben werden sollte.
So gab es in den letzten Jahren denn auch fast uneingeschränkt Lob dafür, wie die Fed die Erwartungen der Märkte steuerte, wie sie Investoren teilweise Monate im Voraus vermeintliche Sicherheit darüber gab, welches Zinsumfeld auf sie zukommen würde. So vermeide man unnötige Marktschwankungen, applaudierten die Experten und setzten traditionell schweigsamere Institutionen wie die Europäische Zentralbank (EZB) unter Druck, es den Amerikanern gleichzutun.
Nicht umsonst hat man sich in Frankfurt zuletzt zu einer „Forward Guidance“ durchgerungen, einer frühzeitigen Orientierung über die weitere Geldpolitik nach US-Vorbild.
Nun aber hat die Fed mit ihrer hochgelobten Kommunikationsstrategie ein Debakel erlebt. Im Frühsommer hatte ihr scheidender Chef Ben Bernanke ein Ende der ultralockeren Geldpolitik in Aussicht gestellt, und die Investoren rechneten fest damit, dass es jetzt soweit sein würde. Stattdessen musste die Fed zurückrudern, weil sich die Wirtschaft in der Zwischenzeit anders entwickelt hatte als von ihr erwartet.
Die Fed hat sich blamiert - Die Märkte jubeln, weil die Geldflut nun länger anhält als gedacht. Doch unabhängig davon, ob man dies ökonomisch für angemessen hält, steht schon jetzt fest: Die Notenbank ist blamiert. Sie hat die Märkte nicht beruhigt, sondern unnötige Schwankungen ausgelöst. Allein Bernankes Ankündigung, demnächst auf die Bremse zu treten, hatte zuvor viele Aktienkurse abstürzen und die Zinsen in die Höhe schnellen lassen – womöglich zu Unrecht, zumindest aber völlig verfrüht.
Die Operation Kurspflege ist damit gründlich gescheitert. Die Fed hat Unsicherheit statt Sicherheit geschaffen und damit ihre eigene Glaubwürdigkeit schwer beschädigt. Das sollte Zentralbankern eine Warnung sein, nicht nur in Amerika. Notenbanken sollten sich darauf besinnen, dass die Feinsteuerung der Marktentwicklung nicht ihre Aufgabe ist. Auch Zentralbanker sind nicht allwissend, auch sie können die wirtschaftlichen Entwicklungen nicht Monate im Voraus präzise vorhersehen.
Das heißt nicht, dass sie die Finanzmärkte außer Acht lassen sollen. Doch sie müssen sich die Freiheit bewahren, die richtigen Entscheidungen im Sinne der Gesamtwirtschaft zu treffen – und dafür in Kauf nehmen, die Investoren auch einmal auf dem falschen Fuß zu erwischen. Eine „Forward Guidance“, die den Marktakteuren eine Sicherheit vorgaukelt, die es gar nicht gibt, kann da schnell kontraproduktiv wirken, wie sich nun gezeigt hat.
Es ist noch nicht sehr lange her, da antwortete die EZB auf jede Frage nach künftigen Zinsentscheidungen mit dem immer gleichen Satz. Wir legen uns nicht voraus fest. Es ist an der Zeit zu überlegen, ob früher wirklich alles schlechter war.