GESELLSCHAFT
Problem der Bevorzugung attraktiver Tiere besteht längst nicht nur in Australien, sondern weltweit
Baku, 25. Mai, AZERTAC
Biologen sind auch bloß Menschen. Sie studieren vor allem Tiere mit einem positiven Image, hässliche Wesen bekommen weniger Aufmerksamkeit.
"Dich will ich loben, Hässliches, du hast so was Verlässliches." Der Dichter Robert Gernhardt hatte kein Problem mit dem Unansehnlichen, dem weniger Ästhetischen. Im Gegenteil: Es war die ideale Vorlage für seine spöttischen Reime.
Wissenschaftler ticken da offenbar anders, wie eine Studie aus Australien zeigt. Patricia Fleming von der Murdoch University hat gemeinsam mit einem Kollegen untersucht, ob Biologen allen Tieren ähnlich viel Aufmerksamkeit widmen oder ob es Arten gibt, die besonders gern und häufig erforscht werden.
Und siehe da: Von wissenschaftlicher Objektivität kann kaum die Rede sein. Populäre Tiere mit einem positiven Image wie Kängurus seien weit öfter Gegenstand von Studien als weniger attraktive Wesen wie Nager, Fledermäuse oder nicht heimische Tiere.
Zudem sei auch der Fokus der Forschung verschieden, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt "Mammal Review". Bei den "guten Arten", wie Fleming sie nennt, gehe es vor allem Anatomie und Physiologie.
Studien über invasive Arten hätten hingegen oft einen Schwerpunkt bei der Ökologie und Artenkontrolle. Untersuchungen als hässlich eingestufter Arten drehten sich vor allem um taxonomische Fragestellungen, also die genaue Klassifikation nach Art, Gattung oder Familie.
Fleming und ihre Kollegen hatten insgesamt 14.248 wissenschaftliche Publikationen über in Australien lebende Säugetiere ausgewertet. Immerhin 331 verschiedene Arten kamen darin vor - doch die Studien waren ungleich über die Arten verteilt.
In fast drei Viertel der Papers (73 Prozent) ging es um Beuteltiere, zu denen auch Kängurus und Koalas gehören - obwohl sie nicht einmal die Hälfte aller Säugetierarten Australiens stellen (45 Prozent). Fledertiere und heimische Nager waren hingegen nur Thema in 11 Prozent der Studien, sie repräsentieren aber ebenfalls 45 Prozent aller Säugertierarten des Kontinents.
Hinzu komme, dass Studien über weniger attraktive Arten meist oberflächlicher Natur seien, erklärt Fleming. Ohne konkrete Erkenntnisse über Lebensräume, Nahrungsquellen und Verhalten sei es aber schwierig, die Arten vor Bedrohungen zu schützen und ein mögliches Aussterben zu verhindern.
Das Problem der Bevorzugung attraktiver Tiere besteht längst nicht nur in Australien, sondern weltweit. 2012 hatten zwei Wissenschaftler der University of Kent die Entwicklung von Publikationen zum Arten- und Naturschutz analysiert. Die Menge der Veröffentlichungen habe zwar seit 1990 zugenommen, konstatierten sie. Doch nach wie vor gebe es eine Bevorzugung "charismatischer Lebewesen".
Dies bestätigt auch Simon Watt, Gründer der Ugly Animal Preservation Society, die sich dem Schutz hässlicher Tiere verschrieben hat. "Es gibt viele Lebewesen weltweit, wie zum Beispiel Frösche, denen es schlecht geht und die noch weniger erforscht werden." Diese Arten seien ökologisch oft bedeutsamer als jene Tiere, die als besonders schützenswert eingestuft werden, sagte er dem Magazin "Scientific American". Fledertiere beispielsweise hielten Insekten im Zaum, die gefährliche Erreger übertragen könnten.
Fleming ruft Wissenschaftler dazu auf, ihre Ressourcen besser über die verschiedenen Lebensformen zu verteilen. "Es ist ein kleiner Kuchen, der aufgeteilt wird. Und da bleiben einige Arten auf der Strecke."