GESELLSCHAFT
Südsudan: Fast jeden Tag sterben Kinder in Kliniken
Baku, 17. Juli, AZERTAC
Nach einer neunstündigen Frühschicht geht Kinderarzt Justin Bruno nicht nach Hause, sondern zu einer privaten Klinik, wo er noch bis Mitternacht arbeitet und etwas Geld verdient. Seit März wurde er - und das gesamte öffentliche Krankenpersonal des Landes - nicht mehr bezahlt. Denn der jüngste Staat der Welt, von einem jahrelangen Bürgerkrieg geplagt, hat dafür kein Geld.
Bereits zwei Jahre nach der 2011 erworbenen Unabhängigkeit brach im Südsudan ein heftiger Krieg zwischen Regierung und Opposition aus, bei dem mehr als 50.000 Menschen ihr Leben verloren. Es ist derzeit Afrikas größte Flüchtlingskrise: Eine Million Männer und Frauen haben bereits Sicherheit in Nachbarländern gefunden, mehr als zwei Millionen Menschen mussten aufgrund von Angriffen auf ihre Dörfer umsiedeln, täglich kommt es zu neuer Gewalt.
Al Sabbah, das überlaufene und landesweit alleinige Kinderkrankenhaus in der südsudanesischen Hauptstadt Juba, in dem Doktor Bruno tätig ist, behandelt täglich mehr als 500 Patienten, doch fast jeden Tag sterben hier Kinder einen vermeidbaren Tod.
Als einzig wirklich studierter Arzt ist der junge Familienvater überfordert. Zehn weitere Mitarbeiter nennen sich hier Ärzte, haben den Doktortitel jedoch noch nicht offiziell erworben.
"Wir arbeiten seit Monaten gratis, denn das Gesundheitsamt erhält nur zwei Prozent des Staatsbudgets und kann uns gerade nicht bezahlen. Ein Großteil des Gesamteinkommens fließt in das Militär", erzählt Bruno. Jedes Wochenende arbeitet er den ganzen Tag als Landwirt, um seine hungrige Familie ernähren zu können. Bis Februar erhielt er 900 südsudanesische Pfund pro Monat - umgerechnet ungefähr fünf Euro.
Im neuen, jetzt beginnenden Finanzjahr wird dem Gesundheitswesen umgerechnet ungefähr 6,1 Millionen Euro zugerechnet - in einem Land von geschätzt zwölf Millionen Menschen und der welthöchsten Inflation.
"Wir brauchen Frieden, damit sich etwas ändert", sagt James Jada, Gesundheitsminister des Bundesstaats Jubek. Mindestens zehn Prozent des Staatseinkommens hätte er gern für seinen Sektor. "Aufgrund der momentanen Krise haben wir aber keine Priorität. Denn Gelder müssen der Verteidigung, dem Militär und Waffen zugeteilt werden."
Auch ihm ist die aussichtslose Situation im Krankenhaus Al Sabbah bekannt. Schon bereits bei Sonnenaufgang warten Hunderte von Menschen vor den Toren der Klinik. Mütter, groß gewachsen und in bunten Gewändern, tragen ihre weinenden oder schlafenden Kinder auf dem Arm; sie sind unterernährt, haben Malaria, manchmal sogar die tödliche Cholera.
Viele kommen von weither, aus abgelegenen Regionen des Landes, wo es keine ausreichende Krankenversorgung gibt, obwohl das Land etwa der Fläche Frankreichs entspricht. Die Reise nach Juba bedeutet oft, dass Mütter aus Großfamilien ihre anderen Kinder hungrig zu Hause lassen. Oft wird die Entscheidung getroffen, ein sterbenskrankes Kind zu retten, den Rest der Familie jedoch hungern zu lassen.