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Tibeter tragen Höhen-Gen des Denisova-Menschen
Baku, den 4. Juli (AZERTAG). Was befähigt Tibeter dazu, in Höhen zu überleben, wo vielen Menschen die Höhenkrankheit droht? Forscher haben jetzt herausgefunden. Das Höhen-Gen der Tibeter stammt vom ausgestorbenen Denisova-Menschen.
Das Hochland von Tibet liegt auf über 4000 Höhenmetern. Die meisten Menschen bekommen dort Probleme, weil sich mit dem in zunehmender Höhe abnehmenden Luftdruck auch der Sauerstoff-Partialdruck verringert – mit Atemproblemen und Höhenkrankheit als Folge.
Tibeter sind an den Sauerstoffmangel angepasst. Eine dafür wichtige Genvariante stammt wahrscheinlich von den längst ausgestorbenen Denisova-Menschen, berichten Forscher im Fachmagazin „Nature“.
Die Variante des Gens EPAS1 beeinflusst in großer Höhe die Konzentration des Proteins Hämoglobin im Blut, das in den roten Blutkörperchen für den Sauerstofftransport im Körper zuständig ist.
Die Wissenschaftler um Emilia Huerta-Sánchez von der University of California in Berkeley (US-Staat Kalifornien) verglichen nun die genaue Abfolge der Bausteine dieses Gens bei 40 Tibetern und 40 Han-Chinesen.
Keine vergleichbare Gen-Struktur gefunden - Sie fanden, dass der Aufbau des Gens sich bei den Tibetern an einigen Positionen deutlich von dem der Han-Chinesen unterschied. Dann verglichen die Forscher die Genstruktur mit der bei Denisova-Menschen und von Populationen moderner Menschen, etwa den afrikanischen San und Yoruba, Franzosen und Sardiniern.
Mit Ausnahme von zwei einzelnen Han-Chinesen und den Denisova-Menschen fanden sie in den Gendaten anderer Menschen keine vergleichbare Struktur des betreffenden Gens.
Die Denisova lebten vermutlich noch vor etwa 40.000 Jahren im zentralasiatischen Altai-Gebirge. Computersimulationen belegten, dass das Gen wohl von den Denisova-Menschen oder von nahen Verwandten dieser Population in den modernen Menschen eingekreuzt wurde.
Vermutlich geschah das, bevor sich die Populationen von Han-Chinesen und Tibetern voneinander trennten. Während es bei den Han-Chinesen dann fast vollständig wieder verloren ging, ermöglichte es den Tibetern die Besiedelung des Hochplateaus und wurde folglich bewahrt.
Hilfe bei der Anpassung an neue Umgebung – „Unsere Ergebnisse illustrieren, dass die Vermischung mit anderen homininen Arten zu einer genetischen Variation geführt hat, die den modernen Menschen dabei geholfen hat, sich an neue Umgebungen anzupassen“, fassen die Wissenschaftler zusammen. Im Erbgut des modernen Menschen finden sich viele Spuren ausgestorbener Verwandter.
Der gängigen Theorie zufolge entstand der moderne Mensch vor rund 200.000 Jahren in Afrika – als der Neandertaler bereits im Westen Eurasiens umherstreifte.
Vor rund 20.000 Jahren hatte Homo sapiens sich – von Amerika und der Antarktis abgesehen – auf allen Kontinenten ausgebreitet und seine archaische Verwandtschaft weitgehend verdrängt. Dies geschah, als das Klima auf das Maximum der bisher letzten Eiszeit zusteuerte.
Überreste von Denisova-Menschen waren erst 2008 von russischen Archäologen in der namensgebenden Denisova-Höhle in Südsibirien entdeckt worden. Die Analyse des Erbguts aus den Knochen hatte ergeben, dass diese von einer zuvor unbekannten Urmenschenform stammten.