GESELLSCHAFT
Uno-Chef Ban Ki Moon: „Bisherige Verpflichtungen zum CO2-Ausstoß reichen nicht aus“
Baku, 26. November, AZERTAC
In Paris wollen sich die Länder der Welt auf ein globales Klimaabkommen verständigen. Die bisherigen Verpflichtungen zum CO2-Ausstoß reichen nicht aus, mahnt Uno-Chef Ban Ki Moon in einem Gastbeitrag für SPIEGEL ONLINE - und fordert schnelles Handeln.
Während der fast neun Jahre als Uno-Generalsekretär bin ich an viele Frontlinien des Klimawandels gereist. Immer wieder habe ich mit Politikern, Geschäftsleuten und vielen anderen darüber gesprochen, wie wichtig eine weltweite Antwort ist.
Warum treibt mich dieses Thema so um? - Erstens will ich, wie jeder Großvater, dass meine Enkel die Schönheit und Großartigkeit eines intakten Planeten erleben können. Und wie jeden Menschen bestürzt es mich, dass Fluten, Dürren und Brände immer schlimmer wüten, dass Inselstaaten verschwinden und zahllose Tierarten ausgerottet werden.
Papst Franziskus und andere religiöse Führer haben uns daran erinnert, dass wir eine moralische Verantwortung besitzen, solidarisch mit den Armen und Verletzlichsten zu handeln. Sie sind am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich, werden aber als Erste und am schlimmsten von den Auswirkungen betroffen sein.
Gefahr für wirtschaftliche Stabilität - Zweitens habe ich, als oberster Repräsentant der Vereinten Nationen, den Kampf gegen den Klimawandel zur Priorität gemacht, weil kein Land allein dieser Herausforderung gewachsen ist. Der Klimawandel hat keinen Reisepass. Emissionen, die irgendwo ausgestoßen werden, verschärfen das Problem überall. Der Klimawandel ist an jedem Ort eine Bedrohung für das Leben und unsere Existenz. Er gefährdet die wirtschaftliche Stabilität und Sicherheit der Länder. Nur durch die Vereinten Nationen können wir gemeinsam auf dieses entscheidende globale Thema eine Antwort geben.
Der bisherige Verhandlungsprozess war zäh und mühsam. Aber wir sehen Ergebnisse. Dem Aufruf der Uno sind mehr als 166 Staaten gefolgt. Sie sorgen zusammen für mehr als 90 Prozent aller Emissionen und haben bereits nationale Klimapläne mit Zielen verabschiedet. Wenn diese nationalen Pläne erfolgreich umgesetzt werden, kann die Emissionskurve flacher werden und der Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf etwa drei Grad Celsius begrenzt werden.
Das wäre ein bedeutender Fortschritt. Aber er reicht nicht aus. Die Herausforderung besteht darin, viel weiter zu gehen und den weltweiten Ausstoß schneller zu senken, damit wir den globalen Temperaturanstieg auf unter zwei Grad Celsius halten können. Gleichzeitig müssen wir Staaten unterstützen, sich an die unabänderlichen Folgen des Klimawandels anzupassen, die uns schon jetzt betreffen.
Wird Paris zum Wendepunkt? - Je schneller wir handeln, desto größer werden die Vorteile für alle sein: mehr Stabilität und Sicherheit; stärkeres, nachhaltigeres Wirtschaftswachstum; gesteigerte Widerstandsfähigkeit gegenüber Naturkatastrophen; saubere Luft und Wasser sowie bessere Gesundheit.
Das werden wir nicht über Nacht erreichen. Die Klimakonferenz in Paris ist nicht der Endpunkt. Sie muss die Grundlage und nicht das obere Ende unserer Ambitionen sein. Sie muss zum Wendepunkt für eine klimaresistente Zukunft mit geringen Emissionen werden.
Weltweit entsteht eine Dynamik. Städte, Unternehmen und Investoren, religiöse Führer und normale Bürgerinnen und Bürger handeln, um Emissionen zu begrenzen. Die Verantwortung liegt nun bei den Regierungen, ein bedeutsames, bindendes Abkommen in Paris zu beschließen, das klare Regeln beinhaltet, um unsere globalen Ambitionen zu realisieren.
Ich glaube, dass dies bevorsteht. Die Vertreter der G20-Staaten, die Anfang des Monats im türkischen Antalya zusammengekommen waren, haben gezeigt, dass sie die Verantwortung zum Handeln sehr ernst nehmen. Mehr als 120 Staats- und Regierungschefs werden nach Paris kommen, trotz der großen Sicherheitsbedenken nach den Terroranschlägen.
Ich sehe vier wichtige Elemente, damit Paris erfolgreich sein kann: Dauerhaftigkeit, Flexibilität, Solidarität und Glaubwürdigkeit.
Erstens muss Paris eine dauerhafte Perspektive entwickeln, die sich mit dem Ziel von unter zwei Grad Celsius verbinden lässt. Es muss ein klares Signal an die Märkte gehen, dass die C02-arme Transformation der Weltwirtschaft unabänderlich und nützlich ist und bereits begonnen hat.
Zweitens muss das Abkommen flexibel sein, damit nicht ständig nachverhandelt werden muss. Veränderungen der Weltwirtschaft müssen berücksichtigt werden können. Es muss ein Ausgleich möglich sein zwischen der Führungsrolle der Industriestaaten und der wachsenden Verantwortung der Entwicklungsländer.
Klimapläne regelmäßig überprüfen - Drittens muss das Abkommen zu Solidarität führen, auch durch Finanzierung und Technologietransfer für Entwicklungsländer. Industriestaaten müssen ihr Versprechen einhalten, bis 2020 pro Jahr 100 Milliarden US-Dollar zu investieren, damit sich betroffene Länder besser an den Klimawandel anpassen oder die Folgen abgeschwächt werden können.
Viertens muss das Abkommen glaubwürdig sein und aufzeigen, wie auf die steigenden klimatischen Folgen reagiert werden kann. Es muss regelmäßige, fünfjährige Zyklen beinhalten, durch die Regierungen ihre nationalen Klimapläne überprüfen und stärken können - so wie es die Wissenschaft fordert. Paris muss auch transparente und starke Mechanismen hervorbringen, wie wir Fortschritt messen und überprüfen können.
Die Uno steht bereit, um Länder bei einem solchen Abkommen zu unterstützen.
Ein bedeutsames Klimaabkommen in Paris wird eine bessere Gegenwart und Zukunft schaffen. Wir können dadurch die Armut ausrotten, und es können grüne Innovationen entstehen. So können wir die neuen Nachhaltigkeitsziele schneller umsetzen. Deshalb liegt mir der Kampf gegen den Klimawandel so am Herzen.
Meine Botschaft an die Politiker ist klar. Der Erfolg in Paris hängt von ihnen ab. Jetzt ist die Zeit für gesunden Menschenverstand, Kompromiss und Konsens. Es ist Zeit, über nationale Horizonte zu blicken und gemeinsame Interessen voranzustellen. Die Menschen weltweit - und die folgenden Generationen - zählen darauf, dass die Politiker den Weitblick und den Mut besitzen, diesen historischen Moment zu nutzen.