GESELLSCHAFT
Vor 400.000 Jahren war der Süden Grönlands beinahe eisfrei
Baku, den 28. Juni (AZERTAG). Während einer Warmphase vor gut 400.000 Jahren war der Süden Grönlands fast komplett eisfrei. Das schließt ein internationales Forscherteam aus der Analyse von Bohrkernen aus der Eirik-Drift - einem Meeresareal vor der Südspitze Grönlands. Demnach ließ der damals schmelzende südgrönländische Eisschild den Meeresspiegel um vier bis sechs Meter ansteigen, schreiben die Forscher um Alberto Reyes von der University of Wisconsin in Madison im Fachblatt „Nature“. Die damaligen klimatischen Bedingungen seien jenen vergleichbar, die für Ende dieses Jahrhunderts vorhergesagt würden.
Vor etwa 400.000 Jahren herrschte auf der Erde eine ungewöhnlich lange Warmzeit, die vermutlich auch astronomische Ursachen hatte. Während dieser Phase - der sogenannten Marine Isotope Stage 11 (MIS 11) - stieg der Meeresspiegel vermutlich um 6 bis 13 Meter. Unklar war, wie stark die grönländischen Gletscher dazu beitrugen. Um dies zu ermitteln, untersuchten die Geowissenschaftler aus den USA, Kanada und Großbritannien nun die Bohrkerne.
Die Analyse beruht darauf, dass die Gletscher Gesteinsmaterial abschliffen und ins Meer trugen, das sich dann auf dem Grund des untersuchten Areals ablagerten. Ein Fehlen solcher Sedimente deutet darauf hin, dass das Einzugsgebiet zu jener Zeit eisfrei war. Um die Ablagerungen verschiedenen Gebieten Grönlands zuzuordnen, untersuchten die Forscher die Bohrkerne auf das Verhältnis der Isotope von Strontium (Sr), Blei (Pb) und Neodym (Nd).
„Jedes Gebiet hat einen eigenen Fingerabdruck“, wird Anders Carlson von der Oregon State University in Corvallis in einer Mitteilung der Uni zitiert. „Wir können nicht nur abschätzen, wie viel Eis es gab, sondern die Isotopsignatur zeigt auch, wo es Eis gab und wo nicht.“ Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass damals im Süden der Insel nur noch am äußersten Südzipfel Eis verblieb. Der Eisverlust war demnach groß genug, um die Meere um 4,5 bis 6 Meter ansteigen zu lassen, berechnen die Wissenschaftler.
„Das Klima vor 400.000 Jahren unterschied sich nicht so sehr von dem heutigen oder zumindest von dem, was für das Ende dieses Jahrhunderts prognostiziert wird“, sagt Carlson. „Die Einflüsse waren zwar anders, aber wichtig ist, dass die Region einen Schwellenwert überschritt, so dass der südliche Teil des Eisschildes verschwand.“