GESELLSCHAFT
8000 Tonnen Öl verschmutzen jährlich die Nordsee
Baku, den 29. April, AZERTAC
Umweltschützer konnten die Versenkung der Shell-Ölplattform „Brent Spar“ in der Nordsee 1995 verhindern. Seitdem müssen die Aufbauten an Land entsorgt werden. Doch Greenpeace mahnt. Die Verschmutzung ist noch lange nicht gestoppt.
Am 30. April 1995 besetzten Greenpeace-Aktivisten 190 Kilometer nordöstlich der Shetland-Inseln die Ölplattform „Brent Spar“. Der Mineralölkonzern Shell wollte den 14.500 Tonnen schweren und 141 Meter hohen Stahlkoloss im Nordostatlantik versenken. Über Wochen lieferten sich Shell und Greenpeace ein Kräftemessen.
Einen Tag vor der geplanten Versenkung, am 20. Juni 1995, machte Shell einen Rückzieher. Die Plattform wurde in Norwegen zerlegt, drei Jahre später wurde ein generelles Versenkungsverbot für die verbleibenden Plattformen im Nordost-Atlantik verkündet. Der Widerstand gegen die Versenkung von „Brent Spar“ gilt bis heute als eine der wichtigsten Umweltschutzaktionen der vergangenen Jahrzehnte.
Das Leben in der Nordsee ist dennoch weiter bedroht: Durch den Förderbetrieb würden jährlich mehr als 8000 Tonnen Öl das Meer verdrecken, berichtet Christian Bussau von Greenpeace bei der Vorstellung des aktuellen Berichts zur Situation der Nordsee. 30 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids würden zudem von den Plattformen emittiert - das entspreche etwa den jährlichen Emissionen von zehn Millionen PKW.
Längere Nutzung, mehr Emissionen - Insgesamt stehen in der Nordsee und dem angrenzenden Nordostatlantik 750 Anlagen, die im laufenden Betrieb Emissionen in die Luft oder ins Wasser abgeben, berichtet Bussau, selbst als Aktivist auf der "Brent Spar" dabei. Rund 500 müssten in den nächsten 30 Jahren noch abgebaut werden.
Seit 2000 sei die Erdölförderung in der Nordsee um mehr als die Hälfte zurückgegangen. Um diesen Abwärtstrend zu stoppen, werden bestehende Felder länger ausgebeutet und auch kleinere Felder erschlossen. Das führe zu einer steigenden Zahl emittierender Plattformen in der Nordsee.
„Der Aufwand wächst und führt dazu, dass - bezogen auf die geförderte Tonne Öl und Gas - die Emissionen zum Teil deutlich zunehmen“, so Bussau. Um die Dauerbelastung der Nordsee und des Nordostatlantiks durch die Ölindustrie zu verringern, fordert Greenpeace strengere Kontrollen der Plattformen und eine deutliche Senkung der Emissionen bis schrittweise auf Null.
Die weltweit größte Ölkatastrophe der vergangenen Jahre gab es 2010 im Golf von Mexiko. Aus der Plattform „Deepwater Horizon“ liefen schätzungsweise vier Millionen Barrel Öl aus, was etwa 500.000 Tonnen entspricht. Auch in der Nordsee kommt es immer wieder zu Unfällen auf Plattformen. 2010 kam es etwa auf der norwegischen „Gulfaks C“-Plattform zu einem Beinahe-Blowout. Ein Jahr später flossen 216 Tonnen Öl aus der britischen Plattform „Gannet Alpha“ ins Meer. 2012 kämpfte der Mineralölkonzern Total gegen ein Gasleck auf der Anlage „Elgin“. Auf der norwegischen Plattform „Statfjord C“ traten 2014 rund 30 Tonnen Öl aus.
Immerhin: Nach der "Brent Spar"-Kampagne sind laut Greenpeace 56 ausgediente Nordsee-Plattformen sicher an Land entsorgt worden. 32 weitere, darunter vier aus dem Brent Ölfeld, sollen in den kommenden zehn Jahren ebenfalls umweltschonend an Land abgewrackt und nicht im Meer versenkt werden.