WELT
Bloß keine Nudeln in der U-Bahn
Baku, den 17. März (AZERTAG). Immer mehr reiche Festland-Chinesen besuchen Hongkong - zum Leidwesen der Einheimischen. Der Verkehr nimmt zu, Wohnungen werden unerschwinglich, kleine Läden weichen schicken Boutiquen, schwangere Frauen reisen zum Geburtstermin ein. Nun regt sich Kritik an der Hongkonger Regierung.
Am Hongkonger Times Square im Bezirk Wanchai, wo es zu jeder Tages- und Nachtzeit geschäftig summt und brummt, gibt es einen winzigen Ort der Stille. Er liegt in einem schmalen Hauseingang, ein paar Stufen hoch: das „Volks-Buch-Café“. Es hat nur wenige Plätze, denn der meiste Raum ist für Bücher und Zeitschriften reserviert.
Sie alle handeln von Pekings korrupten Politikern, von Machtkämpfen in den Zirkeln der KP, von Skandalen und Affären, etwa der vermeintlichen Geliebten des früheren Staats- und Parteichefs Jiang Zemin. „90 Prozent der Kunden kommen vom Festland“, sagt die Angestellte an der Kaffeemaschine. Da ist etwa der Herr mit schütterem Haar, der mit Frau und Tochter die Stiegen hinaufsteigt und sich sofort auf die Bücher stürzt. Woher er stammt, möchte er nicht sagen. Nur so viel: „Freunde haben mir von dem Laden erzählt.„
Die Familie gehört zu den vielen Chinesen aus der Volksrepublik, die jedes Jahr nach Hongkong strömen. Seitdem die britische Kronkolonie 1997 an die Volksrepublik zurückgegeben wurde, dürfen viele ihrer Bewohner ohne große Formalitäten in den „Duftenden Hafen“ reisen. Und sie kommen in Scharen, 28,1 Millionen Touristen waren es im vorigen Jahr, fast ein Viertel mehr als 2010.
Die Hongkonger profitieren von dem Ansturm. Denn jeder Festländer gibt im Schnitt über 730 Euro pro Aufenthalt aus, das ist viel mehr, als sich Amerikaner und Europäer in Hongkong leisten können - und so viel, dass Edelgeschäfte mit Marken wie Rolex, Chanel oder Gucci im Stadtteil Kowloon die Kunden sogar auf der Straße warten lassen, damit nicht so viele hineindrängen. Ein „persönliches Einkaufserlebnis“ verspricht ein Zettel an der Eingangstür des Uhrenladens von Cartier in der Peking-Straße.