WELT
Blutige Straßenschlacht nach Lukaschenkos Wahlsieg
Baku, den 20. Dezember (AZERTAG). In Minsk ist es nach der Wahl zu schweren Krawallen gekommen. Die Polizei prügelte auf Demonstranten ein und verhaftete Kandidaten der Opposition.
Nach der von Fälschungsvorwürfen überschatteten Präsidentenwahl in Weißrussland ist es am Sonntagabend zu schweren Ausschreitungen gekommen. Aus Protest gegen den von Staatsmedien verkündeten Wahlerfolg des autoritär regierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko zogen tausende Regimegegner in Minsk vor den Regierungskomplex und versuchten, die Zentrale Wahlkommission zu stürmen. Die Polizei griff hart durch und nahm zahlreiche Menschen fest, darunter drei Präsidentschaftskandidaten der Opposition. Es gab Verletzte. Aus der EU kam scharfe Kritik an der Wahl.
Bei den Auseinandersetzungen wurde unter anderem der oppositionelle Herausforderer Witali Rymaschewski am Kopf verletzt. Helfer brachten ihn in eine Klinik. Zuvor war der Kandidat Wladimir Nekljajew auf dem Weg zu der nicht genehmigten Kundgebung von Sicherheitskräften krankenhausreif geprügelt worden. Im Zentrum von Minsk hatten sich nach Schließung der Wahllokal trotz eines Demonstrationsverbots etwa 20000 Menschen versammelt. Sie forderten eine Annullierung der Wahl. Lukaschenko erhielt nach Wählerbefragungen 79,1 Prozent der Stimmen, wie das regierungsnahe Institut EcooM am Abend mitteilte.
Gegen Mitternacht beruhigte sich die Lage. Die Polizei räumte den Platz vor dem Regierungssitz. Dabei seien Regimegegner brutal getreten oder mit Knüppeln geschlagen worden, hieß es.
Im Vorfeld der Abstimmung hatte die Bundesregierung freie und faire Wahlen in Weißrussland gefordert. Außenminister Guido Westerwelle hatte bei einem Besuch in Minsk Anfang November zudem demokratische Reformen angemahnt. In diesem Fall werde Deutschland sich dafür einsetzen, dass Weißrussland von der Europäischen Union (EU) unterstützt werde. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will an diesem Montag ihre Einschätzung zu der Wahl bekanntgeben.
Auf dem zentralen Oktoberplatz versammelten sich trotz der massiven Polizeipräsenz nach Angaben der unabhängigen Agentur Belapan Zehntausende Regierungskritiker. Sie schwenkten die alten rot-weiß-roten Fahnen sowie EU-Flaggen und riefen „Lang lebe Weißrussland!“ und „Wir wollen die Wahrheit!“ Redner behaupteten, Lukaschenko habe die absolute Mehrheit klar verfehlt und müsse sich einer Stichwahl stellen.
Bei dem Angriff auf Nekljajew seien Dutzende seiner Mitstreiter festgenommen worden, meldete Belapan. Ein Polizeisprecher widersprach, es habe keine Festnahmen gegeben.
„Wenn die Wahlbüros schließen, gehen wir auf die Straße“, hatte Nekljajew zuvor angekündigt. Nach der Präsidentenwahl 2006 hatten Zehntausende Menschen in Minsk gegen den Staatschef demonstriert. Damals erhielt Lukaschenko, der oft als „letzter Diktator Europas“ kritisiert wird, nach offiziellen Angaben 82,6 Prozent der Stimmen.
„Ich spüre das Vertrauen des Volkes“, sagte der 56-jährige Lukaschenko bei seiner Stimmabgabe. Seine neun Konkurrenten hatten erwartungsgemäß keine Chance und erzielten lediglich einstellige Ergebnisse. Die Opposition ist zerstritten und konnte sich nicht auf einen gemeinsamen Herausforderer einigen.
„Es wird keine Demonstration geben“, hatte der Staatschef noch am Nachmittag angekündigt. Lukaschenko regiert das Land zwischen Polen und Russland seit 16 Jahren mit harter Hand regiert. Unabhängige Journalisten berichteten, ihre Telefone sowie Internetzugänge und Email-Konten seien gesperrt worden, um Gespräche mit westlichen Medien zu verhindern.