WELT
Chinesische Führung will das Land nun trotz seiner riesigen Weiten besser vernetzen
Baku, 10. April, AZERTAC
Chinas Regierung treibt die Urbanisierung voran. 40 Prozent des Milliardenvolkes sollen bald in fünf riesigen Städte-Clustern leben. Doch so gewaltig wie die Metropolen sind auch die Probleme.
China ist eines der größten Länder der Erde. Seine Milliardenschaft an Menschen verteilt sich über mehr als neun Millionen Quadratkilometer Fläche – allerdings äußerst ungleich. In der größten Region des Landes, Xinjiang, die zum größten Teil von Wüste bedeckt ist, leben mehr als 20 Millionen Menschen. Im Großraum Peking sind es ungefähr gleich viele – nur dass Xinjiang etwa hundert Mal größer ist als die Hauptstadt.
Die chinesische Führung will das Land nun trotz seiner riesigen Weiten besser vernetzen und nach innen effizient straffen. Beschleunigte Urbanisierung ist das Stichwort.
Chinas Führer lassen dafür aus der Retorte fünf nationale integrierte Ballungszentren entstehen, in denen künftig mehr als eine halbe Milliarde Menschen leben und arbeiten sollen. Die neuen Städtecluster gruppieren sich um bestehende Metropolen an den Küsten, im Mittelgebiet des Jangtsestroms, an seiner Mündung und im Südwesten des Landes.
Die urbanen Wirtschaftsräume sollen nach den Plänen die verkehrstechnische Infrastruktur optimieren, die Energieversorgung und ökologische Entwicklung effizienter und nachhaltiger machen, bürokratische regionale Hindernisse und Hürden abbauen und neue Nachfrage nach Kommunikation, nach Verkehrsmitteln wie Metrosystemen und Hochgeschwindigkeitszügen und Autostraßen schaffen, ein erneutes gigantisches Konjunkturprogramm.
40 Prozent der chinesischen Bevölkerung werden bis 2020 in einer der fünf nationalen urbanen Wirtschaftszentren leben, weitere 15 Cluster führen Städte auf regionaler und lokaler Ebene zusammen.
Führer planen Cluster und Mega-Metropolen - Regierungschef Li Keqiang treibt die Verstädterung Chinas damit rasant voran, die er vergangenes Jahr in seinem "Urbanisierungsplan 2014 bis 2020“ zur „nationalen Aufgabe mit höchster Priorität“ erklärt hatte. Peking will bis 2020 in seinen Städten mehr als eine Milliarde Menschen wohnen haben.
Zwei der nationalen Städteverbundsysteme wachsen schon zusammen: Im Perlflussdelta im Süden als auch im Jangtsemündungsdelta um Shanghai bewegen sich die besiedelten Gebiete aufeinander zu. Am Sonntag ordnete der Staatsrat an, dass die drei Regionalhauptstädte Wuhan, Changsha und Nanchang im Mittellauf des Jangtsestroms beginnen sollen, Städtecluster um sich aufzubauen, um zu einem integrierten Wirtschaftsgroßraum zusammenzuwachsen.
Ende April will Premier Li den vierten Cluster in der landesweiten Neuplanung aus der Taufe heben, den von Staatschef Xi angeregten 218.000 Quadratkilometer großen Städtecluster „Jing-Jin-Xi“ . Mehr als 100 Millionen Menschen werden im künftig verdichteten Wirtschaftsgroßraum mit der Hauptstadt Peking (Jing), der Metropole Tianjin (Jin) und einem halben Dutzend neu ausgebauter regionaler Städte in der Provinz Hebei (Xi) leben. Abschließend soll dann der fünfte nationale Städtecluster im Großraum um die beiden südwestchinesischen Provinzmetropolen Chengdu und Chongqing entstehen.
Zensur im Netz drosselt die Geschwindigkeit - Ein weiterer Kritikpunkt ist das eingeschränkte und kontrollierte Internet. Die Wirtschaft zahle den Preis, wenn durch exzessive Zensur das Tempo des Netzes auf 4,17 Megabits (Mbps) pro Sekunde abgebremst wird, halb so schnell, wie es in London oder New York ist (10 Mbps). Moderne Zentren in Asien etwa in Südkorea (23,6 Mbps) bieten fast sechsmal schnellere Geschwindigkeiten an.
Die Klagen von europäischen Dienstleistern im Finanzbereich und im E-Commerce werden lauter. Investoren in Forschungs- und Entwicklungszentren werden zu Joint Ventures gezwungen oder müssten ihre Software zugänglich machen, wenn sie steuerliche Förderung erhalten wollen.
Noch sind die Ausführungsbestimmungen für die Megastadtprojekte weder für den Raum Peking noch in den Details für den Jangtsemittellauf veröffentlicht worden. Dort regt sich auch inländische Kritik. Sozialwissenschaftler in Hubei schrieben in ihrem „Blaubuch zum neuen Jangtse-Cluster“, dass es schwierig würde, den althergebrachten lokalen Protektionismus zwischen den Städten und Regionen zu überwinden. Die Sogkraft von Metropolen wie Wuhan, Changsha und Nanchang auf ihr Einzugsgebiet sei zu gering, um einen Cluster zu organisieren.
Die Industriestruktur der Inlandsmetropolen ist immer noch veraltet. Sie alle hatten vor allem Schwerindustrien aufgebaut, während die Leichtindustrie und Dienstleistungen wenig entwickelt sind. So ergänzten sich die neuen integrierten Wirtschaftszentren nicht, sondern stünden im Wettbewerb gegeneinander. Auch da scheint Chinas Führung, die in großen Visionen denkt, ihre marktwirtschaftlichen Hausaufgaben an der Basis noch nicht gemacht zu haben.