WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Detektoren in den USA zum zweiten Mal Gravitationswellen registriert
Baku, 16. Juli, AZERTAC
Physiker jubeln: Drei Monate nach der sensationellen ersten Messung haben Detektoren in den USA zum zweiten Mal Gravitationswellen registriert. Eine aufgerüstete Anlage könnte bald viele weitere Nachweise liefern.
"Es war unser schönstes Weihnachtsgeschenk", sagt Bruce Allen. Bereits zum zweiten Mal binnen weniger Monate zeigten die sensiblen Messgeräte auffällige Ausschläge - diesmal in der Nacht vom ersten auf den zweiten Weihnachtsfeiertag 2015. Und wieder steckten Gravitationswellen dahinter, wie Allen und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Hannover nun berichten.
Die Wissenschaftler feiern die Entdeckung als Einstieg in ein völlig neues Forschungsgebiet. "Mit dieser zweiten Beobachtung sind wir auf dem Weg zur echten Gravitationswellen-Astronomie", sagt Allens Kollege Karsten Danzmann.
Beide Physiker arbeiten mit an der LIGO-Kollaboration, die zwei gewaltige Detektoren in Livingston (US-Bundesstaat Louisiana) und Hanford (Washington) betreibt. Jedes der Geräte besteht aus zwei rechtwinklig angeordneten Armen, die sich vier Kilometer lang durch die Landschaft recken. Ziel ist es, sogenannte Gravitationswellen nachzuweisen: winzige Deformationen des Raums, die mit Lichtgeschwindigkeit durchs All rasen. Albert Einstein hatte sie einst in seiner Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt.
Schon einmal hatte LIGO weltweit für Aufsehen gesorgt: Ende Februar hatten die Forscher verkündet, dass ihnen am 14. September 2015 erstmals ein Gravitationswellen-Signal ins Netz gegangen sei. Viele halten es für ausgemacht, dass sie noch in diesem Jahr den Physik-Nobelpreis dafür bekommen werden.
Seit jenem 14. September herrscht Euphorie unter den LIGO-Forschern. Voller Spannung warten sie darauf, dass ihre Geräte erneut anschlagen. Fast täglich meldet der Computer verdächtige Signale. Jedes mal schießt der Adrenalinpegel der beteiligten Forscher nach oben: Ist dies das nächste Ereignis?
Meist stellt sich schnell heraus: Fehlalarm. Der Computer hat nur eine Fluktuation missdeutet. In jener Dezembernacht jedoch war es anders. Schon nach 70 Sekunden war die erste Analyse abgeschlossen, und das Ergebnis ließ wenig Zweifel: Diesmal handelte es sich um ein echtes Signal. Irgendwo, weit in der Ferne des Alls, waren einst zwei schwarze Löcher kollidiert. Der Crash hatte die Raumzeit verbogen. 1,5 Milliarden Jahre lang war die Delle durchs Universums gewandert. Weihnachten 2015 war sie auf Erden eingetroffen.
Zwei Crashs in vier Monaten - Als die LIGO-Physiker im Februar vor die Presse traten, um ihre große Entdeckung eines ersten Gravitationswellensignals zu verkünden, wussten sie bereits von diesem zweiten Fund. Doch hatten sie beschlossen, ihn geheim zu halten, bis alle Daten ausgewertet sind.
Jetzt endlich ist die Analyse abgeschlossen. Mit Gewissheit können die LIGO-Forscher nun verkünden: In der Messzeit von Mitte September bis Mitte Januar krachten in bis zu 1,5 Milliarden Lichtjahren Entfernung von der Erde zweimal zwei Schwarze Löcher von mehreren Sonnenmassen Gewicht ineinander.
Der erste Crash, dessen Nachhall am 14. September aufgefangen wurde, war ein besonders spektakuläres Ereignis. Ein schwarzes Loch, schwer wie 29 Sonnen, kollidierte mit einem anderen von 36-facher Sonnenmasse. Bei dem Aufprall wurde im Bruchteil einer Sekunde die Energie dreier Sonnenmassen in Form von Gravitationswellen abgestrahlt - das ist 50 Mal so viel wie das Leuchten sämtlicher Sterne des sichtbaren Universums zusammengenommen.
Neue Messungen mit gesteigerter Empfindlichkeit - Das zweite Ereignis war dreimal weniger intensiv. Diesmal waren zwei schwarze Löcher von 8 und 14 Sonnenmassen ineinander gekracht. Für die Physiker hat auch ein solcher, weniger wuchtiger Zusammenprall seine Vorteile: Weil beide beteiligten Trumms leichter sind, kann der Detektor ihre Kollision länger verfolgen. Insgesamt 27 Mal kreiselten sie umeinander, ehe sie verschmolzen. Eine volle Sekunde lang konnten die Forscher ihren spektakulären Tanz verfolgen.
Entsprechend präzise lassen sich diesmal die Umstände ermitteln. Die Forscher können zum Beispiel rekonstruieren, dass mindestens eines der beiden schwarzen Löcher fulminante Pirouetten vollführte: "Es rotierte mit mindestens zehn Prozent der maximal möglichen Drehgeschwindigkeit", sagt Allen. Dieses Wissen sei kostbar, weil es Rückschlüsse über die Entstehung der schwarzen Löcher erlaube.