GESELLSCHAFT


Die Ausrottung von Polio ist nicht der richtige Weg
(Arthur Caplan, Professor für Bioethik und Leiter des Zentrums für Bioethik an der Universität von Pennslyvania)

Baku, den 29. Dezember (AserTAg). Das Beste, was wir tun können, um Polio zum Verschwinden zu bringen, ist zu versuchen, die Krankheit zu kontrollieren.

In diesem Jahr ist in Zentralasien die Kinderlähmung ausgebrochen, mit 560 registrierten Fällen in Usbekistan, offenbar übertragen von infizierten Personen ohne erkennbare Krankheitssymptome, die aus Tadschikistan einreisten.

Foto: WELT ONLINE Infografik Verbreitung von Polio-

Erkrankungsfällen und Länder mit Infektionsrisiko

Der Ausbruch in Tadschikistan ist besonders besorgniserregend, weil das Land von der Weltgesundheitsorganisation bereits zur poliofreien Region erklärt worden war. Die Bemühungen, Polio auszumerzen, kann die ganze Welt gefährden, wie die Tragödie in Tadschikistan zeigt. Es ist sinnlos, über die Ausmerzung von Krankheiten wie der Kinderlähmung zu sprechen, wenn ein kleiner Ausbruch in einem entlegenen Teil der Welt sich schnell ausbreiten und Milliarden gefährden kann.

Es gibt noch immer viele Fälle von Polio

Die westliche Hemisphäre ist vor 20 Jahren als poliofrei erklärt worden, aber noch 2000 gab es Fälle auf Haiti und der Dominikanischen Republik. In einer amischen Gemeinde in Minnesota gab es 2005 vier Fälle, und viele andere wurden in den vergangenen Jahren unter anderem in Angola, Nigeria, Uganda, Kenia, Benin, Indien, Somalia, Pakistan, Sudan registriert.

Für viele im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens war die größte Errungenschaft der Medizin in diesem Jahrhundert die Ausmerzung der Pocken. Diese erstaunliche Leistung hat bei verschiedenen nationalen und internationalen Regierungen und Organisationen wie WHO, Rotary International und der Gates Stiftung eine wichtige Rolle gespielt, um die Auslöschung anderer Krankheiten wie Masern, Malaria und Kinderlähmung anzugehen.

Wenig Möglichkeiten, die Welt nachhaltig zu verändern

Die Ausmerzung von Krankheiten, die für den Tod oder die Behinderung unzähliger Menschen verantwortlich sind, ist zweifelsfrei ein hehres Ziel. Wie die Generaldirektorin der Weltgesundheitsorganisation bei einer internationalen Rotary-Tagung im vergangenen Jahr sagte: „Die internationale Gemeinschaft hat so wenig Möglichkeiten, diese Welt wirklich und nachhaltig zu verändern.

Die heimlichen Herrscher

Foto: Infografik WELT ONLINE Viren sind keine Lebewesen. Doch

sie können die Zellen von Lebewesen dazu zwingen, sich von ihnen

gemäß einer "Bauanleitung" kopieren zu lassen. Viren sind nur 15

bis 400 millionstel Millimeter groß.

Die Befreiung der Welt von Kinderlähmung ist eine solche Möglichkeit.“ Zudem ist die Rede von der „Befreiung“ von einer Krankheit unübertroffen wirksam, wenn es darum geht, finanzielle Mittel, die Aufmerksamkeit von Politikern und eine positive Mediendarstellung zu erhalten.

Das Ziel muss klar gesteckt sein

Aber es gibt gute Gründe, sich zu fragen, ob die fortwährenden Anstrengungen für die Ausmerzung der Kinderlähmung der richtige Weg sind, oder ob nicht aggressiv und wirksam durchgeführtes Management und Kontrolle der Krankheit eine Alternative wären.

Wenn die Auslöschung der Krankheit das Ziel aktueller Gesundheitskampagnen ist, muss das Ziel klar gesteckt sein. Wenn wir von einer Auslöschung sprechen, dann bedeutet das eine endgültige Befreiung von einer Krankheit und damit auch die Erlaubnis, unsere Wachsamkeit ihr gegenüber fallen zu lassen. Aber heute ist das Risiko, in Bezug auf die Kinderlähmung unsere Wachsamkeit gegen Gleichgültigkeit auszutauschen, noch viel zu hoch.

Überwachung der Krankheit ist eine riesige Herausforderung

Zunächst einmal ist die für eine Feststellung der Ausmerzung erforderliche Überwachung eine riesige Herausforderung. Politische Instabilität, Kriege und Zusammenbruch von Zivilgesellschaften sowie nicht kooperative Regierungen machen den Zugang zu einigen Teilen der Welt so gut wie unmöglich.

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