WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Ein geheimnisvolles Flugobjekt durch den kristallklaren Himmel des Polarkreises
Baku, den 8. November (AZERTAG). Billiger, leiser, effizienter, aber fünfmal schneller als der Schall. Forscher tüfteln an wahnwitzigen Hyperschallflugzeugen, die die Strecke von London nach New York in einer Stunde zurücklegen.
Vor zehn Jahren unternahm die Concorde ihren letzten Flug. Drei Jahrzehnte lang schoss die revolutionäre Maschine mit Mach-2-Geschwindigkeit durch den Luftraum. Von Paris nach New York flog man mit der Concorde in dreieinhalb Stunden.
Doch die zurückgehende Nachfrage und Sicherheitsbedenken auch im Zusammenhang mit dem tragischen Unglück im Jahr 2000 in Paris, das 113 Menschen das Leben kostete, zwangen die Betreiber Air France und British Airways, den Flugbetrieb einzustellen.
Die Concorde, die zur Ikone der Luftfahrt aufstieg, musste fortan am Boden bleiben. In einer pathetischen Zeremonie wurden drei Flugzeuge in einen Hangar des Flughafens Heathrow verfrachtet. Dort ruhen sie nun. Die Ära der Concorde ist vorbei. Doch die Vision vom Überschallflugzeug ist geblieben.
Am MIT in Boston tüfteln Forscher um Qiqi Wang an einem futuristisch anmutenden Doppeldecker, einer zweiten Generation der Überschallflieger, die billiger, leiser und effizienter, also ressourcenschonender sein sollen.
Die Wissenschaftler stehen jedoch vor zwei größeren Problemen. Das eine ist der Auftrieb beziehungsweise Widerstand. Die zwei Flügel erzeugen einen engen Kanal, der die durchströmende Luftmenge limitiert.
Luftmasse hat enormen Bremseffekt - Wenn das Flugzeug die Schallgrenze durchbricht, wird es von der Luftmasse regelrecht erdrosselt, was einen erheblichen Bremseffekt zur Folge hat. Das zweite Problem ist der Lärm. Das Durchbrechen der Schallgrenze verursacht einen heftigen Knall – man kennt dieses Geräusch, wenn man eine Peitsche schwingt.
Einige Flughäfen räumten der Concorde keine Landeerlaubnis ein, weil der Fluglärm für die Anwohner nicht zumutbar gewesen wäre. Deshalb gehen die Forscher nun einen Schritt weiter – sie wollen das Hyperschallflugzeug.
Ende September röhrte ein geheimnisvolles Flugobjekt durch den kristallklaren Himmel des Polarkreises über Norwegen. Die Rakete erreichte eine Höhe von 350 Kilometern und kam beim Wiedereintritt in die Atmosphäre auf eine Geschwindigkeit von Mach 8 – das entspricht 9800 Stundenkilometern.
Es war der fünfte von insgesamt neun Testflügen im Rahmen des Hypersonic International Flight Research Experiments. Das HIFiRE-Projekt, das vom australischen Verteidigungsministerium und dem US Air Force Research Laboratory finanziert wird, soll die Grundlagen des Hyperschallfliegens erforschen.
Forschung steht erst am Anfang - Hyperschall bedeutet, dass man mit mindestens Mach 5, also fünffacher Schallgeschwindigkeit, fliegt. Die Strecke von London nach New York würde man in einer solchen Maschine in einer Stunde zurücklegen. Doch die Forschung steht erst am Anfang.
Im Mai dieses Jahres testete Boeing den X-51A Waverider, der aus 15.000 Meter Höhe über der kalifornischen Mojave-Wüste von einem B-52-Bomber gestartet wurde. Angetrieben von Spezialtriebwerken, flog die unbemannte Maschine dreieinhalb Minuten mit Überschallgeschwindigkeit, bevor sie wie geplant in den Pazifik stürzte.
Zunächst zündete eine Booster-Rakete und beschleunigte den Waverider auf Mach 4,8, dann wurde der Booster abgetrennt und der Scramjet gestartet. Bei diesem Strahltriebwerk wird die Luft nicht wie bei gewöhnlichen Triebwerken durch Schaufelräder verdichtet, sondern durch die Geschwindigkeit, mit der sie in die Brennkammer gepresst wird. Die dabei erhitzte Luft wird durch eingeleiteten Treibstoff gekühlt.
Allerdings gab es in der Vergangenheit wiederholt Probleme beim Abkoppeln mit dem Booster. Ein fehlgeschlagener Test im August hat die Erwartungen der Entwickler gedämpft. Die Herausforderung wird in Zukunft darin bestehen, dieses Modell für die bemannte Luftfahrt weiterzuentwickeln.
Auch die Esa entwickelt Hyperschallflugzeuge - Auch in Europa arbeiten Wissenschaftler unter Hochdruck an Hyperschallflugzeugen. Die Europäische Weltraumorganisation (Esa) koordiniert das Projekt „Long-Term Advanced Propulsion Concepts and Technologies“, das ein europäisches Hyperschallpassagierflugzeug entwerfen soll. Die Reaction Engines A2 ist eine Superconcorde für 300 Passagiere, die eine Geschwindigkeit von 6400 Stundenkilometern erreichen könnte.
In fünf Stunden würde man von Europa nach Australien fliegen – sechsmal schneller als bisher. Die A2 ist mit 143 Meter Länge doppelt so groß wie der A380, das derzeit größte Passagierflugzeug.
Als Treibstoff würde anstatt Kerosin Wasserstoff verwendet werden, was umweltfreundlicher, aber auch riskanter wäre. Geht es nach den Plänen der Esa, soll die A2 in 25 Jahren als Linienflugzeug eingesetzt werden. Quälende Langstreckenflüge würden dann der Vergangenheit angehören.
Auch wenn die Concorde nicht mehr in der Luft ist – der Flieger hat Maßstäbe gesetzt mit seiner markanten, nach unten gesenkten Nase, die dem Piloten freie Sicht gab, dem stromlinienförmigen Design, den Seitenflossen.
Jock Lowe flog 27 Jahre im Cockpit der Concorde für British Airways. Er war bis zu seinem Ausscheiden der dienstälteste Pilot. Der BBC sagte er vor Kurzem: „Kein Militärflugzeug kam auch nur in die Nähe. Sie war so manövrierbar und hatte Energien, die selbst ehemalige Kampfpiloten nicht gewohnt waren.“ Lowe schwärmte über die Technik: „Es war vermutlich fortgeschrittener als die ,Apollo 11', die die ersten Menschen auf den Mond brachte.“
Sollte in Zukunft erneut ein Überschallflugzeug oder gar eines der neuen Hyperschallflugzeuge die Kontinente verbinden, wäre das mit Sicherheit ein großer Schritt für die Menschheit – so wie einst die Landung auf dem Mond.