WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Forscher bestimmen Gravitationskonstante neu
Baku, den 20. Juni (AZERTAG). Unter den Naturkonstanten gilt die Gravitationskonstante G als diejenige, die am ungenauesten bestimmt ist. Ein neues Verfahren verspricht nun mehr Präzision - und einen Weg zu noch feineren Messungen.
Die Gravitationskonstante G - nicht zu verwechseln mit der Erdbeschleunigung g - gehört zu den fundamentalen Größen in der Natur. Der britische Naturforscher Isaac Newton fügte sie einst in sein Gravitationsgesetz ein. Doch trotz modernster Technik ist ihr Zahlenwert bis heute nicht sehr genau bekannt.
Rund 300 Versuche sind im Laufe der Zeit unternommen worden, G zu bestimmen. Doch selbst die jüngsten Messungen aus den vergangenen drei Jahrzehnten weichen um bis zu 0,055 Prozent voneinander ab, obwohl die Einzelmessungen rechnerisch jeweils eine deutlich höhere Genauigkeit erreichen.
Doch nun haben Physiker ein neues Verfahren zur Messung der Konstante entwickelt - es setzt auf eine Wolke ultrakalter Atome. Die Technik ist eine Alternative zu sogenannten Torsionswaagen und könnte zu einem noch genaueren Wert führen, schreiben Forscher um Guglielmo Tino von der Universität Florenz im Fachblatt „Nature“. Sie erreichen eine Präzision von 0,015 Prozent - und sehen Möglichkeiten zu einer weiteren Verbesserung.
Wichtig ist die Konstante in verschiedenen wissenschaftlichen Modellen, für Kosmologen aber auch für Geophysiker. Die häufigste Methode zur Messung von G war bisher die Torsions- oder Drehwaage. Dabei hängt eine Hantel waagerecht an einem Draht. Positioniert man zwei große Massen symmetrisch in kleinem Abstand zu den Hantelenden, werden diese durch die Gravitation angezogen, die Hantel dreht sich ein kleines Stück aus ihrer Ruheposition. Aus der Auslenkung der Hantel und den Materialeigenschaften des Drahtes lässt sich die Gravitationskonstante berechnen.
Atome im Fallrohr - Das Problem dabei: Die Gravitationskraft zwischen den Körpern ist nur sehr gering - daher spielen Störungen eine vergleichsweise große Rolle. Das Team um Tino benutzte nun zwei Wolken tiefgekühlter Rubidium-Atome als Schwerkraftsensoren. Die Physiker ließen die Atome mehrfach im Schwerkraftfeld der Erde steigen und fallen und verschoben zwischen den Messungen zwei 516 Kilogramm schwere Testmassen aus Wolfram, die rings um das Fallrohr der Atome angeordnet waren.
Mit der Apparatur konnten die Forscher winzige Unterschiede in der Fallzeit der Atome bestimmen. Sie kamen auf diese Weise auf einen Wert für G von 6,67191*10^-11 m^3 kg^-1 s^-2 (Kubikmeter durch Kilogramm mal Sekunde zum Quadrat). Dieser liegt um etwa anderthalb Standardabweichungen neben dem derzeit vom internationalen Komitee für Daten in Wissenschaft und Technik (CODATA) empfohlenen Wert.
Zwar sei nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen, dass die gemessenen Abweichungen ihren Ursprung in bisher unentdeckten Eigenschaften der Gravitation hätten, schreibt Stephan Schlamminger vom US-Institut für Standards und Technologie in einem Begleitkommentar in „Nature“. Dies sei jedoch nicht sehr wahrscheinlich, da entsprechende Modifikationen unserer Gravitationstheorie durch andere Experimente ausgeschlossen werden konnten. Möglicherweise verhinderten daher unentdeckte systematische Fehler eine genauere Bestimmung von G.
Der neue Ansatz könne nun womöglich helfen, systematische Fehler zu identifizieren, die in früheren Experimenten nicht gefunden werden konnten, schreiben Tino und Kollegen. Auf diese Weise hoffen sie, einen Weg zur exakteren Bestimmung der Gravitationskonstante zu finden.