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Forscher finden gute Gründe für soziale Monogamie
Baku, den 30. Juli (AZERTAG). Monogamie ist bei Vögeln sehr verbreitet, unter Säugetieren hingegen eher selten. Denn bei diesen Tieren wachsen die Jungen im Mutterleib heran und auch nach der Geburt sind sie durch das Stillen noch lange von ihrer Mutter abhängig. Die Väter können sich in dieser Zeit andere Partnerinnen suchen. Bei etwa einem Viertel aller Primatenarten hat sich dennoch eine soziale Monogamie entwickelt. Dies bedeutet, dass die Partner in einer Zweierbeziehung leben und sich gemeinsam um den Nachwuchs kümmern, auch wenn andere sexuelle Kontakte vorkommen können.
Über die Hintergründe streiten Forscher seit langem, drei Theorien werden diskutiert: Ist die Monogamie ein Vorteil, weil Paarbeziehungen verhindern, dass Weibchen mit rivalisierenden Männchen fremdgehen, oder weil Männchen in Paarbeziehungen zur Aufzucht der Kinder beitragen und so den Fortpflanzungserfolg erhöhen? Oder ist der Schutz des eigenen Nachwuchs vor Kindstötung der Grund?
Zwei Forschergruppen haben sich nun mit der Frage befasst - und kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen.
Ein Team um Christopher Opie vom britischen University College London hat zahlreiche Angaben über das Verhalten von 230 Primatenarten zusammengetragen, etwa in welcher Beziehung die Partner zusammenleben, wer den Nachwuchs versorgt oder wie hoch die Zahl der Kindstötungen in der Population ist. Für ihre Studie in den „Proceedings“ der US-Nationalen Akademie der Wissenschaften (PNAS) setzten sie diese Angaben in Beziehung zu einem Stammbaum der Arten, aus dem die Verwandtschaftsverhältnisse hervorgehen. So bekamen sie Hinweise, welches Verhalten im Verlauf der Evolution zuerst entstanden ist.
Monogamie wegen schwieriger Partnerwahl? - Dieter Lukas und Tim Clutton-Brock von der Universität Cambridge hingegen wählten für ihre Untersuchung, die im Magazin „Science“ erscheint, alle 2500 Säugetierarten, darunter eben auch die monogamen - wie einige Nager, einige Primaten sowie Wölfe und Erdmännchen. Lukas und Clutton-Brock prüften dabei vor allem, ob Monogamie bei Säugetieren eher aus Gründen der Partnerwahl oder der gemeinsamen Aufzucht entstand.
Die Forscher stellten fest: Zunächst mussten die Männchen das Problem der Partnerwahl lösen - insbesondere bei jenen Arten, wo die Weibchen eher weit verstreut und nicht ganz leicht zu finden sind. In diesen Fällen würde Monogamie den Fortpflanzungserfolg deutlich erhöhen. Die gemeinsame Aufzucht wäre dann nur eine Folge des monogamen Paarungsverhaltens.
Das Team um Christopher Opie hingegen kam zu dem Ergebnis, dass die Kindstötungen in einer Population der stärkste Motor für die Entwicklung von Monogamie sind - zumindest bei den Primaten. Männchen töten den Nachwuchs anderer Männchen, damit die Weibchen schneller wieder empfängnisbereit sind. In einer monogamen Beziehung kann der Vater seinen Nachwuchs vor solchen Angriffen schützen. Werden die Kosten für die Aufzucht des Nachwuchses unter den Eltern geteilt, haben die Mütter außerdem mehr Ressourcen für das Stillen, wie die Forscher weiter erläutern. Dies wiederum verkürze die Stillzeit, wodurch die Weibchen schneller wieder schwanger werden können. Davon profitierten auch die treuen Männchen.
Schimpansen und Gorillas sind nicht monogam - Bei vielen Primatenarten ist die Kindheit, also die Abhängigkeit des Nachwuchses von den Eltern, lang: Unter anderem deshalb, weil das oft große Gehirn der Primaten lange Zeit zur Entwicklung benötigt. Mitsorgende Väter ermöglichten diese lange Kindheit und die lange Entwicklungszeit des Gehirns. Auch beim Menschen habe die Monogamie vermutlich zur Entstehung des komplexen Gehirns beigetragen.
Es sei das erste Mal, dass die verschiedenen Theorien zur Entstehung von Monogamie systematisch getestet wurden, sagt Christopher Opie. Seine Untersuchung zeige schlüssig, dass die Kindstötungen die Ursache für soziale Monogamie sind. „Das bringt eine langanhaltende Debatte über den Ursprung der Monogamie bei Primaten zum Abschluss.“
Clutton-Brock und Lukas sind sich da allerdings nicht so sicher. Mit der menschlichen Evolution und dem großen Gehirn der Primaten dürfte Monogamie nur bedingt etwas zu tun haben. Nicht nur seien Schimpansen, Bonobos und Gorillas polygam. Auch der letzte gemeinsame Vorfahre von Mensch und Schimpanse lebte wohl eher nicht in monogamen Paarbeziehungen.