GESELLSCHAFT
Forscher züchten künstliche Ohrmuschel
Baku, den 2. August (AZERTAG). Forscher haben eine formstabile und flexible künstliche Ohrmuschel entwickelt. Und zumindest beim Test an Ratten konnten sie auch zeigen, dass sie anwächst. Das künstliche Organ besteht aus einem Titandrahtgerüst - und Knorpelmaterial von Schafen.
Bisher gibt es zwei Standardverfahren für die Wiederherstellung einer zerstörten Ohrmuschel - und beide haben Nachteile: Zum einen verwendet die plastische Chirurgie Rippenknorpel, der in eine Ohrform gebracht wird. Die Ergebnisse nach der Implantation seien jedoch kaum vorhersagbar, schreiben Thomas Cervantes vom Massachusetts General Hospital im Fachmagazin „Journal of the Royal Society Interface“. Zum anderen werden Polymerimplantate verwendet, die zwar die Form bewahren, aber starr sind. Auch bestehe bei ihnen die Gefahr, dass sich das Implantat durch die Haut durchdrücke, geben Cervantes und seine Kollegen zu bedenken.
Cervantes und seine Kollegen arbeiten daher schon seit einiger Zeit an einer Alternative. Zum Beispiel Unfallopfer könnten von der Neuentwicklung profitieren. „Konstruiertes Knorpelgewebe ist eine vielversprechende Möglichkeit zur Wiederherstellung des äußeren Ohrs“, so die Forscher. Bei ihrer Technik kommt ein Gerüst aus dem Draht einer Titanlegierung zum Einsatz. Damit werden die wichtigsten Knorpelerhebungen der menschlichen Ohrmuschel nachgeformt. Das Drahtgeflecht wird dann zusammen mit einem wässrigen Kollagenbrei aus dem Knorpel von Schafen in eine zweiteilige Hohlform gegeben. Wenn der Kollagenbrei fest geworden ist, kann die Ohrmuschel in eine Hauttasche eingesetzt werden.
Zwölf Wochen nach Implantation geprüft - Die Wissenschaftler überprüften die Eigenschaften ihrer Ohrmuschel, indem sie Ratten ohne Fell das künstliche Organ unter die Rückenhaut pflanzten. Zwölf Wochen nach der Implantation maßen sie mithilfe von Computertomografie und 3-D-Fotografie, wie sich das Ohr verändert hatte - und waren weitgehend zufrieden: Länge und Breite der künstlichen Ohrmuschel hatten sich um weniger als zwei Prozent verändert. Allerdings war sie um bis zu acht Prozent flacher als vor der Einpflanzung. Das führen die Forscher auf den Druck der gespannten Haut zurück.
Die größten Änderungen ergaben sich bei den Abständen zwischen den schneckenförmigen Erhebungen, die sich um bis zu zwölf Prozent verschoben. Cervantes und seine Kollegen erklären das Ergebnis damit, dass der innere Draht aus einem Stück gebogen sei und sich deshalb an vier Stellen Überlappungen ergeben. Geschweißte oder geklebte Verbindungen könnten diesen Formveränderungen vorbeugen, würden aber zu einem weniger biegbaren Ohr führen. Insgesamt sind die Bostoner Mediziner zuversichtlich, dass ihr Verfahren künftig dazu verwendet werden kann, die konstruierte Ohrmuschel sogar dem vorhandenen Ohr des Patienten anzugleichen.