WELT
Italien: Viele Menschen nach Erdbeben obdachlos
Baku, 31. Oktober, AZERTAC
Das schwerste Erdbeben in Italien seit Jahrzehnten hat ganze Ortschaften zerstört. 40.000 Menschen sind in Sicherheit gebracht worden. Viele der Betroffenen sollen nun an die Küste ziehen.
Die Behörden in Mittelitalien haben die Menschen nach dem schweren Erdbeben vom Sonntag aufgefordert, die betroffenen Orte zu verlassen. „Woanders hinzugehen heißt nicht, nicht zurückzukehren“, sagte der Chef des Zivilschutzes, Fabrizio Curcio. Einwohner evakuierter Ortschaften sollten vorübergehend an die Adria-Küste oder in Unterkünfte in der Umgebung gebracht werden.
Etwa 8000 Menschen werden laut Zivilschutz bereits in Notunterkünften versorgt, dem „Corriere della sera" zufolge wurden bislang insgesamt 40.000 Menschen in Sicherheit gebracht. Viele Betroffene verbrachten die Nacht im Auto, als die Region laut Medienberichten von Nachbeben der Stärke 4,2 erschüttert wurde.
Das stärkste Beben in Italien seit 36 Jahren hatte am Sonntag historische Ortschaften wie Norcia und zahlreiche Kulturgüter zerstört, etwa 20 Menschen wurden laut offiziellen Angaben verletzt - einige von ihnen schwer. Mehrere Menschen wurden lebend aus Trümmern geborgen und mit Hubschraubern in umliegende Krankenhäuser geflogen. Viele Gemeinden wurden nahezu vollständig zerstört, Straßen waren nicht passierbar. Allein in der Region Marken sind 25.000 Menschen obdachlos.
Staatspräsident Sergio Mattarella drang auf einen schnellen Wiederaufbau. „In einem weiten Teil unseres Landes haben viele Menschen ihre Häuser verloren, viele haben Angst hineinzugehen“, sagte er während eines Israel-Besuchs. Es sei nun der Beitrag von allen nötig, "denn so vielen unserer Mitbürger in Schwierigkeiten muss das Recht garantiert werden, in ihren Häusern in Frieden zu leben."
Das Epizentrum des Bebens lag sechs Kilometer nördlich der Kleinstadt Norcia, etwa 68 Kilometer südöstlich von Perugia. Der Erdstoß gegen 7.40 Uhr am Sonntag hatte eine Stärke von 6,5, wie das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie und das Helmholtz-Zentrum in Potsdam mitteilten.
Das Beben hatte sich genau in jener Region ereignet, die schon von zwei heftigen Erdstößen in der vergangenen Woche getroffen worden war. Auch das Erdbeben von Ende August, bei dem 298 Menschen umgekommen waren, hatte die Orte in den Regionen Umbrien, Latium, den Abruzzen und den Marken schwer beschädigt. Weil viele Gebäude bereits zerstört waren, lebten nicht mehr so viele Menschen in den jetzt betroffenen Orten - das ist eine Erklärung, warum kein Mensch bei dem heftigen Erdstoß am Sonntag ums Leben kam.
Die Zerstörungen sind allerdings immens: In Norcia wurde die Basilika des heiligen Benedikt größtenteils zerstört, das Dach des Sakralbaus aus dem frühen 13. Jahrhundert stürzte ein. Am Sonntagnachmittag wurde der Gebirgszug in den mittelitalienischen Regionen Abruzzen, Latinum, Marken und Umbrien zudem von Nachbeben erschüttert. Die Erdstöße waren auch in Florenz, Ancona und Rom zu spüren.
In der rund 110 Kilometer entfernten Hauptstadt sollten am Montag Schulen auf Schäden überprüft werden. Auch an einigen wichtigen Bauwerken, wie an der Kuppel der Kirche Sant'Ivo alla Sapienza von Francesco Borromini, wurden leichtere Schäden festgestellt. Die Regierung will am Montag in einer Kabinettssitzung über die Lage beraten.
Ministerpräsident Matteo Renzi hatte bereits am Sonntag schnelle Hilfe versprochen. „Wir werden alles wieder aufbauen: die Häuser, die Kirchen und die Geschäfte“, sagte der Premier. Die Menschen in der betroffenen Region südöstlich von Perugia lebten seit Wochen in physischer Unsicherheit, Angst und Sorge. Viele Menschen bräuchten eine Unterkunft, sie würden voraussichtlich zunächst in Pensionen untergebracht. "Mit dem Winter vor der Tür können wir nicht an Zelte als Lösung denken.“
„Es ist alles eingestürzt", sagte der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Ussita, Marco Rinaldi. In dem Ort hatten bereits die Beben von vergangenem Mittwoch starke Schäden angerichtet. "Ich sehe eine Rauchsäule, es ist ein Desaster, ein Desaster! Ich habe im Auto geschlafen und die Hölle gesehen."