WELT
Öko-Chipstüte so laut wie ein Rasenmäher
Baku, den 27. November (AZERTAG). Für die Umwelt eine Wohltat, für das Ohr eine Qual: die Chipstüte, die sich selbst kompostiert. Doch die ökologische Verpackung des US-Snackherstellers Frito-Lay erreicht beim Knistern mehr als 90 Dezibel und ist damit so laut wie ein Rasenmäher.
Unvorstellbar, im Kino aus solch einer "Sunchips"-Verpackung Kartoffelsnacks zu knabbern. Die Tüte regt auf und spaltet die Verbraucher - auch in den USA, wo sie schon wieder aus den Supermärkten verschwunden ist.
Das Videoportal Youtube ist voll von Beiträgen, in denen sich Verbraucher über das laute Knistern mokieren. "Dieser Lärm ist unglaublich", urteilt ein junger Mann, der vor laufender Kamera mit einer der neuen Frito-Lay-Tüten raschelt. "Man versteht sein eigenes Wort nicht mehr", geschweige das von Schauspielern, Serienhelden oder Moderatoren im Fernsehen. Im Online-Netzwerk Facebook schlossen sich zehntausende "Sunchips"-Fans zu einer Gruppe zusammen und forderten die alte Verpackung zurück.
Anderthalb Jahre nach der Einführung hat Frito-Lay die umweltfreundliche Tüte in den USA wieder vom Markt genommen. Einer Studie zufolge waren die Verkäufe der "Sunchips" um fast 11 Prozent eingebrochen - trotz der umweltfreundlichen Innovation ihrer Verpackung, an der die Produktentwickler vier Jahre lang gearbeitet hatten.
Im benachbarten Kanada jedoch verfolgt der Snackhersteller eine andere Strategie. Mit rotem Schal und schwarzer Lederjacke wendet sich die örtliche Frito-Lay-Vizechefin Anne-Marie Renaud auf Youtube direkt an die Verbraucher. "Gehen Sie in den nächsten Supermarkt und kaufen Sie eine Tüte", fordert sie die Internetnutzer auf. "Wenn sie das Knistern für zu laut halten, dann teilen sie uns das mit und wir schicken Ihnen ein paar Ohrstöpsel", fügt sie lächelnd hinzu.
"Ich bin stolz darauf, wie sehr wir in Kanada unsere Umwelt schützen", sagt Renaud und zeigt die bereits nach 14 Wochen kompostierten Überreste einer Chipstüte. "Der Kompromiss ist ganz einfach: Etwas mehr Rascheln für etwas weniger Müll." Die Botschaft ist klar: Wer ernst machen will mit dem viel beschworenen Umweltschutz, muss das in Kauf nehmen können.
Von "sehr geschicktem Marketing" spricht der Experte für neue Medien von der Universität Quebec, Benoit Duguay. "Das ein gutes Beispiel dafür, wie etwas Negatives in etwas Positives umgemünzt werden kann." Auch Umweltschützer haben sich auf die Seite von Frito-Lay geschlagen. "Endlich bietet ein Hersteller den Verbrauchern einmal eine konkrete Lösung an", sagt Antoine Garcia-Suarez vom Ökoverband RE-buts in Montreal. "Die Verpackung braucht nur in den Kompost gegeben werden. Jetzt muss der Verbraucher entscheiden."
Manche umweltbewussten Chipsesser in den USA protestieren bereits dagegen, dass Frito-Lay die Öko-Tüte in den Vereinigten Staaten wieder aus dem Verkehr gezogen hat. Ein wenig Lärm könne die Müllvermeidung schon vertragen, argumentieren sie. Eine Facebook-Gruppe mit dem Namen "Führt die kompostierbare Sunchips-Tüte wieder ein" hat allerdings erst 110 Mitglieder. Frito-Lay arbeitet derweil an einer neuen, leiseren Variante. In spätestens einem Jahr soll sie auf den Markt kommen.