WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Radioaktive Eisenatome sind huckepack auf kosmischen Staubkörnchen zur Erde gereist
Baku, 8. April, AZERTAC
Material vom Boden der Ozeane verrät, wann und wo zuletzt Sterne in der Nähe der Erde explodiert sind. Zum Glück ereigneten sich die Katastrophen weit genug weg - sonst gäbe es uns nicht.
Am Ende ihres Lebens lassen es massereiche Sterne noch einmal richtig krachen. Bei einer Supernova-Explosion strahlen sie so hell wie Milliarden von Sonnen - und blasen all das Material ins All, das zuvor bei der Kernfusion in ihrem Inneren entstanden ist. Dazu gehören auch gegen Ende ihrer Lebenszeit entstandene langlebige radioaktive Atome, die über Millionen von Jahren zerfallen - zum Beispiel das Eisenisotop Fe-60. Es hat eine Halbwertszeit von 2,6 Millionen Jahren und kommt auf unserer Erde praktisch nicht natürlich vor.
Wenn es sich doch irgendwo auf unserem Planeten nachweisen lässt, dann muss dieses Material kosmischen Ursprungs sein. Das ist der Gedankengang hinter aufsehenerregenden Forschungsarbeiten, die Wissenschaftler in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Nature" präsentieren. Sie wollen belegen, dass sich die beiden vorerst letzten Supernova-Explosionen in der Umgebung unserer Erde vor rund 2,3 und 1,5 Millionen Jahren ereignet haben - in jeweils rund 300 Lichtjahren Entfernung.
Bereits 1999 hatten Wissenschaftler im Grundsatz zeigen können, dass sich außerirdisches Fe-60 auch auf der Erde findet: in winzigen Konzentrationen in Mangankrusten am Grund des Pazifischen Ozeans. Materialproben von dort und aus weiteren Regionen der Weltmeere - Südatlantik und Indischer Ozean - waren nun von Forschern um Anton Wallner von der Australian National University in Canberra untersucht und datiert worden. Wissenschaftler um Dieter Breitschwerdt von der Technischen Universität Berlin hatten in Computermodellierungen Rückschlüsse auf die kosmische Herkunft des Materials gezogen.
Bei nur 25 Lichtjahren Abstand gäbe es eine Katastrophe - Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass die radioaktiven Eisenatome huckepack auf kosmischen Staubkörnchen zur Erde gereist sind. An der schwankenden Konzentration im Tiefseeboden lässt sich ablesen, wann besonders viel Eisen-60 aus dem All niedergeprasselt ist.
Die Forscher haben für ihre Analyse den Transport dieser Eisen-Variante auf die Erde modelliert. Anhand von Konzentration und Halbwertszeit ergeben sich Zeit und Entfernung der Supernova-Explosionen. Beide explodierten Sterne stammten demnach aus der sogenannten Lokalen Blase im All, einer Region voller heißem, diffusem Gas, in die unser Sonnensystem eingebettet ist. Die Lokale Blase wurde vermutlich durch 14 bis 20 Supernova-Explosionen in einer Gruppe von Sternen erzeugt, die sich gemeinsam bewegen.
Explosion im Sternbild Waage - Die Wissenschaftler um Breitschwerdt haben die Bewegung dieser Sterne zurück gerechnet und mit statistischen Methoden jeweils den wahrscheinlichsten Ort der beiden jüngsten Supernova-Explosionen bestimmt: Vor 2,3 Millionen Jahren explodierte demnach eine Sonne im heutigen Sternbild Wolf, vor 1,5 Millionen Jahren krachte es im heutigen Sternbild Waage.
Die Forscher spekulieren, in welchem Umfang nahe Supernovae das Klima und vielleicht sogar die Evolution auf der Erde beeinflussen können - durch eine stark gestiegene kosmische Strahlung. Bei den beiden jetzt identifizierten Sternexplosionen gibt es keine handfesten Belege für signifikante Auswirkungen auf die Erde.
Aber klar ist: Je näher eine Supernova explodiert, desto größer sind die Folgen. Innerhalb einer Entfernung von etwa 25 Lichtjahren wären solche ein Ereignis für das Leben auf der Erde katastrophal, schreibt Adrian Melott von der Universität von Kansas in einem Begleitkommentar in "Nature". In den beiden nun untersuchten Fällen waren es 300 Lichtjahre. Zum Glück.