WELT
Shanghai befindet sich seit einer Woche in einem harten Lockdown
Baku, 5. April, AZERTAC
In der chinesischen 25-Millionen-Einwohner-Stadt Shanghai wachsen Ärger und Kritik an den drakonischen Coronamaßnahmen. Die Gesundheitsbehörden räumten am Montag ein, dass positiv getestete Babys und Kleinkinder von ihren Eltern getrennt würden.
Nach den strengen chinesischen Coronaregeln wird jeder Infizierte, selbst wenn er keine oder nur leichte Symptome hat, von nicht infizierten Menschen isoliert. Das betrifft auch Kinder, die positiv getestet wurden, deren Familienmitglieder aber negativ sind, wie Shanghais Gesundheitsbehörden nun bestätigten. Infizierte Kinder unter sieben Jahren werden in staatlichen Gesundheitszentren behandelt, wie Wu Qianyu von der städtischen Gesundheitskommission sagte. Ältere Kinder oder Teenager müssen sich demnach in – weniger komfortablen – Quarantänezentren isolieren.
Eltern haben sich in Onlinenetzwerken massiv über dieses Vorgehen beschwert. “Eltern müssen “Bedingungen“ erfüllen, um ihre Kinder zu begleiten? Das ist absurd, es sollte ihr grundlegendstes Recht sein“, schrieb ein Nutzer auf der Plattform Weibo. “Wenn ich ein Elternteil wäre, würde ich mich absichtlich anstecken, um mein Kind begleiten zu können“, schrieb ein anderer Nutzer. Geteilt wurden auch nicht verifizierbare Videos von staatlichen Einrichtungen. Eines zeigt weinende Babys, die zu dritt in einem Kinderbett liegen. In einem anderen Video krabbelt ein stöhnendes Kleinkind aus einem Raum mit vier Kinderbetten.
Zuvor hatte bereits die Nachrichtenagentur Reuters von dem Fall Esther Zhao berichtet, die Mutter hatte ihre zweieinhalbjährige Tochter am 26. März mit Fieber in ein Krankenhaus gebracht. Sie habe die Gesundheitsbehörden angefleht, nicht von ihrer Tochter getrennt zu werden, diese sei zu jung, um in ein Quarantänezentrum gebracht zu werden. Die Ärzte sollen der Frau daraufhin gedroht haben, sie selbst in ein anderes Zentrum zu verlegen, wenn sie der Verlegung der Tochter nicht zustimme. Seitdem habe Zhao nur eine kurze Nachricht in einem Gruppenchat mit Ärzten bekommen, dass es ihrer Tochter gut gehe.
Die Behörden in Shanghai halten aber trotz der Kritik an dem Vorgehen fest. Es sei ein wesentlicher Bestandteil der “Präventions- und Kontrollmaßnahmen“ gegen das Virus, sagte die Behördenvertreterin Wu. “Wir haben deutlich gemacht, dass Kinder, deren Eltern ebenfalls positiv sind, am selben Ort wie die Kinder leben können“, fügte sie hinzu.
Shanghai befindet sich seit einer Woche in einem harten Lockdown, vorausgegangen war ein wochenlanger Anstieg der Infektionszahlen. Nun sollen alle rund 25 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Stadt getestet werden. Am Montag wurden den zweiten Tag in Folge landesweit mehr als 13.000 Neuinfektionen verzeichnet, davon allein 9000 im besonders stark betroffenen Shanghai. Angesichts der sich rasch verbreitenden Omikron-Variante des Coronavirus gerät die chinesische Regierung mit ihrer “Null-Covid“-Strategie zunehmend unter Druck. In Shanghai und anderen Städten ist schon seit Tagen die Verärgerung über die harten Lockdown-Maßnahmen spürbar.