GESELLSCHAFT
Unter Neugeborenen gibt es mehr Jungen als Mädchen
Baku, 31. März, AZERTAC
Statistisch gesehen kommen weniger Mädchen als Jungen zur Welt. Forscher haben jetzt erklärt, warum das Geschlechterverhältnis bei Geburten nicht ausgeglichen ist.
Die Statistik ist eindeutig: Unter Neugeborenen gibt es mehr Jungen als Mädchen.
Viele Experten gingen davon aus, dass bereits bei der Empfängnis die Jungen vorn liegen - also dass mehr Schwangerschaften mit Jungen entstehen als mit Mädchen. Doch diese Annahme stimmt nicht. Zum Zeitpunkt der Empfängnis ist das Verhältnis der Geschlechter vielmehr gleich, wie Forscher aus Großbritannien und den USA nun im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.
Das Ungleichgewicht zum Zeitpunkt der Geburt beruht demnach darauf, dass im Verlauf der Schwangerschaft insgesamt mehr Mädchen sterben als Jungen, schreiben Steven Hecht Orzack vom Fresh Pond Research Institute in Cambridge und seine Kollegen. Sie hatten zahlreiche Datenquellen ausgewertet, die etwas über das Geschlecht der Babys verrieten. So erhielten sie Einblick in die Geschlechterverteilung vom dritten Tag nach der Empfängnis bis zur Geburt.
Umfangreiche Datenanalyse - Bei den Angaben handelte es sich um Daten zu Fehlgeburten und Abtreibungen oder zu Embryos aus künstlichen Befruchtungen. Hinzu kamen Daten aus pränatalen Untersuchungen, wie zum Beispiel der Fruchtwasseruntersuchung, und Statistikdaten zu Lebend- und Totgeburten in den USA. Ferner untersuchten die Forscher bestimmte Chromosomen der Embryos auf Auffälligkeiten.
Die Auswertung ergab, dass zunächst genauso viele männliche wie weibliche Schwangerschaften entstehen. Allerdings seien mehr männliche Embryos genetisch auffällig, so dass in der ersten Woche nach der Befruchtung mehr männliche Embryos abgehen. In den nächsten 10 bis 15 Wochen übersteige dann jedoch die Zahl der weiblichen Abgänge die der männlichen, bis gegen Ende der Schwangerschaft wieder mehr Jungen stürben als Mädchen. Zusammengenommen überleben demnach mehr männliche Embryos die gesamte Schwangerschaft, was zu der leicht höheren männlichen Geburtenrate führe.
Bereits 2014 hatten Forscher um Fiona Mathews von der Universität Exeter berichtet, dass späte Fehlgeburten bei Jungen häufiger vorkommen als bei Mädchen. Das Risiko sei rund zehn Prozent höher, berichteten sie damals im Fachjournal „BMC Medicine“. Sie hatten mehr als 30 Millionen Geburten weltweit in ihre Analyse einbezogen.
Faktor Hunger? - Allerdings können wohl auch Umweltbedingungen das Geschlechterverhältnis beeinflussen. So kamen US-Wissenschaftler 2013 zu dem Ergebnis, dass in Hungerphasen mehr Mädchen als Jungen geboren werden. Sie hatten die Daten von Neugeborenen analysiert, die während und nach der großen Hungersnot in China zwischen 1959 und 1961 zur Welt kamen. Vorherige Studien zu den Auswirkungen anderer Hungersnöte hatten ähnliche Ergebnisse geliefert. Warum in schlechten Zeiten mehr Mädchen geboren werden, sei unklar, schrieben die Forscher. Es gebe aber die Theorie, dass weibliche Ungeborene „anspruchsloser“ sind.