GESELLSCHAFT
Unterwäsche kann Brustkrebs auslösen
Es gibt viele kleine, fiese Geschichten darüber, was angeblich alles Krebs auslösen kann. Diese Geschichten erzählen sich meist recht einfach. Ich glaube, wir erzählen sie uns gern, weil sie gegen die Angst helfen. Sie machen die Krankheit überschaubarer.
Auch ich habe Angst vor Krebs, als Frau vor allem vor Brustkrebs, und eine der Geschichten, die ich darüber gehört und im Internet gelesen habe, lautet: Von BHs kann man Brustkrebs bekommen. Von zu engen BHs, womöglich sogar von gut sitzenden BHs. Weil die Bügel und Träger die Lymphbahnen abklemmen und verhindern, dass giftige Stoffe abtransportiert werden. Wer sich schützen will, könnte demnach auf gemütliche BHs oder noch besser gleich auf Unterhemden umsteigen.
Krebsforscher aus den USA haben sich den BH-Mythos in einer Studie vorgenommen. Die Wissenschaftler um Lu Chen, Doktorandin der Washington School of Public Health, fragten 1044 Frauen, die im Alter zwischen 55 und 74 Jahren an Brustkrebs erkrankt waren, und 469 gesunde Frauen der gleichen Altersgruppe über ihre persönliche BH-Geschichte aus. Wie alt waren die Frauen, als sie zum ersten Mal einen BH trugen? Welche Körbchengrößen trugen sie im Laufe ihres Lebens? Bevorzugten sie Bügel-BHs? Wie viele Stunden am Tag hatten sie Büstenhalter an? Und so weiter. Nur eine der Frauen sagte übrigens, dass sie nie einen BH getragen habe. Die Forscher fragten die Frauen auch nach ihrer Krankheits- und Lebensgeschichte aus. Hatten sie Kinder bekommen, wenn ja, in welchem Alter? Gab es Brustkrebsfälle in der Verwandtschaft?
Die Forscher kamen zu dem klaren Ergebnis, dass „kein Aspekt des BH-Tragens“ irgendeinen Einfluss auf das Brustkrebsrisiko der Frauen gehabt hatte. Sie waren erkrankt oder eben nicht, mit oder ohne Bügel im BH, mit großen oder kleinen Körbchen, ob sie mit zwölf Jahren oder erst mit 18 den ersten BH ausprobiert hatten.
Die kleinen Geschichten über Krebs vereinfachen eine komplizierte, tückische Krankheit. Die Frauen aus der Studie, die an Brustkrebs erkrankt waren, waren etwas häufiger übergewichtig. Und sie hatten häufiger Schwestern oder Mütter, die auch bösartige Tumore in der Brust bekommen hatten.
Wer sein Brustkrebsrisiko verringern will, sollte auf sein Gewicht achten, vor allem nach den Wechseljahren, sich viel bewegen und wenig Alkohol trinken, das raten die Ärzte vom Deutschen Krebsinformationsdienst. Auf die ganze Lebensspanne gerechnet – bis zum angenommenen 80. Geburtstag – erkranke aber leider jede achte Frau an Brustkrebs.
Das ist schwer zu ertragen. Mit ihrem BH bringt sich aber wohl keine von uns in Gefahr.