WIRTSCHAFT
Viele neue Modelle für den chinesischen Markt gezeigt
Baku, 20. April, AZERTAC
Das Secondhand-Segment im Reich der Mitte wächst schneller als der Neuwagen-Handel. Mehr als sechs Millionen gebrauchte Fahrzeuge werden pro Jahr verkauft. Vor einigen Jahren sah das ganz anders aus.
Einen Gebrauchtwagen kaufen? Ein altes Auto also? Das war lange Zeit für viele Chinesen undenkbar. Die Autofahrer im Reich der Mitte wollten über Jahre hinweg stets neue Fahrzeuge. Das ändert sich jetzt. Die Chinesen kaufen zunehmend gebrauchte Autos, das Segment wächst deutlich stärker als der Handel mit Neuwagen.
Die ausländischen Hersteller freuen sich darüber nur bedingt, wollen sie doch lieber weiter viele neue Wagen im Reich der Mitte absetzen. Auf der Auto Show in Shanghai werden in dieser Woche deshalb viele neue Modelle für den chinesischen Markt gezeigt. Das Angebot an „guten Gebrauchten“ nimmt jedoch zu, auch die Zahl der Werkstätten wächst.
China, der seit Jahren am stärksten wachsende Absatzort für Autos der Welt, ist ein vergleichsweise junger Markt. Viele Chinesen fahren noch immer ihr erstes Auto, die Pkw-Dichte ist deutlich niedriger als in Europa oder den USA. „Während in China auf 1000 Einwohner derzeit 63 Autos kommen, sind es in Deutschland 540 und in den USA mehr als 700“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen.
Sechs Millionen Verkäufe, Tendenz steigend - Deutschland und die USA seien gesättigte Märkte, in denen Neuwagen als Ersatz für das alte Auto gekauft werden. „In China dagegen wird gekauft, weil vorher kein Pkw vorhanden war“, sagt der Autoexperte.
Bill Russo, Autoanalyst bei der chinesischen Unternehmensberatung Gao Feng, erwartet in den kommenden Jahren eine starke Zunahme beim Handel mit Gebrauchtwagen. „Der Gebrauchtwagenmarkt hat sechs Millionen Verkäufe pro Jahr erreicht und tritt nun in eine Phase des rapiden Wachstums ein“, sagt er. Der Grund: Viele Chinesen sehen einen gebrauchten Wagen als Möglichkeit, ein höherwertiges Produkt für einen günstigeren Preis zu erwerben. „Ein potenzieller Kunde eines lokalen Herstellers kann so „upgraden“ und eine ausländische Marke erwerben – natürlich gebraucht“, sagt Russo.
Bevor der Handel mit den Gebrauchten floriert, muss der Kunde allerdings Vertrauen gewinnen. „Die meisten Fahrzeuge werden bislang über Basare verkauft“, sagt Jochen Siebert, Leiter von JSC Automotive in Shanghai. Die Hersteller entwickelten derzeit ein Zertifizierungssystem für den Wiederverkauf, ähnlich wie in Europa oder den USA. „Das Thema wird für die Autohändler wichtiger, denn das Neuwagengeschäft bringt immer weniger Ertrag“, sagt der Autoanalyst.
BMW und Volkswagen zertifizieren Gebrauchte - BMW hatte bereits im Jahr 2006 seine „Premium Selection“ in China eingeführt. 2014 wurden nach Unternehmensangaben über 22.400 gebrauchte Autos verkauft, das Geschäft wuchs um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die VW-Gruppe hat inzwischen mehr als 280 Händler für das Gebrauchtwagenprogramm „Das WeltAuto“ zertifiziert.
„Jedes Fahrzeug wird von einem VW-Händler mithilfe einer 133-Punkte-Checkliste geprüft und zum Verkauf freigegeben“, erklärt eine Sprecherin. Anbieter wie Bitauto stellen chinesischen Kunden darüber hinaus Preisinformationen zur Verfügung, sodass diese einschätzen können, was ihnen geboten wird.
Trotz des starken Wachstums im Gebrauchtwagensegment müssen sich die deutschen Hersteller in China vorerst keine Sorgen machen. Im vergangenen Jahr wurden dem CAR zufolge 18 Millionen Neuwagen verkauft. „Das Potenzial liegt bei mehr als 50 Millionen Pkw-Verkäufen pro Jahr“, sagt Ferdinand Dudenhöffer. „China bleibt Wachstumsregion, auch wenn sich das Tempo etwas reduziert hat.“