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Wie entwickelte sich der Neandertaler?
Baku, den 21. Juni (AZERTAG). 430.000 Jahre alte Schädel aus Spanien liefern Hinweise, wie der Neandertaler entstanden ist. Demnach entwickelten sich zunächst der typische Kauapparat und die Gesichtsform, das Hirn wuchs erst später.
Wie entwickelte sich der Neandertaler? Die Wissenschaft war sich bislang uneins, ob sich alle körperlichen Änderungen gleichzeitig oder nach und nach vollzogen haben. Nun liefern Untersuchungen von mehreren 430.000 Jahre alten Schädeln aus Spanien neue Erkenntnisse: Die Funde stammen von frühen Verwandten des Neandertalers und zeigen, dass sich wahrscheinlich zuerst das Gesicht und dann das Gehirn des Neandertalers entwickelte. Das spricht für die Theorie, dass der Neandertaler in der Evolution nach und nach entstand.
Innerhalb mehrerer Jahrzehnte entdeckten Forscher in der Ausgrabungsstätte Sima de los Huesos, übersetzt Knochengrube, im nordspanischen Gebirgszug Sierra de Atapuerca mehr als 6500 menschliche Fossilien. Sie lassen sich 28 Individuen zuordnen. „Diese Anhäufung von hominiden Fossilien ist bislang einzigartig“, sagt Juan-Luis Arsuaga von der Universität Complutense in Madrid, Erstautor der aktuellen Studie im Fachmagazin „Science“.
Unter den Fundstücken befinden sich 17 Schädel, einige davon sind fast vollständig erhalten. Sieben der Schädel haben die Wissenschaftler nun erneut untersucht und dabei ein wiederkehrendes Muster festgestellt: Zähne und Gesicht entsprechen in ihren Merkmalen bereits der Morphologie des Neandertalers, während aber die Hirnschale noch wenig entwickelt ist. „Tatsache ist, dass man in Europa keine Neandertaler-Hirnschalen findet, die älter sind als 200.000 Jahre“, schreibt Evolutionsforscher Jean-Jacques Hublin vom Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig in einem begleitenden Kommentar.
Von den Veränderungen am Schädel der Neandertalervorfahren betroffen sind vor allem die für den Kauvorgang wichtigen Regionen des Kopfes. Das lasse vermuten, dass der Ursprung des Neandertalers mit der Spezialisierung seines Kauapparats zusammenfalle, folgern die Wissenschaftler in ihrer Studie. „Die Schneidezähne zeigen starke Gebrauchsspuren“, sagt Paläontologe Arsuaga, „als seien sie als eine Art dritte Hand verwendet worden - typisch für den Neandertaler.“
Bisher vermuteten die Forscher, dass die Funde aus der Sima de los Huesos zur Art Homo heidelbergensis gehörten. Da die gefundenen Schädel jedoch mehrere Neandertaler-Merkmale aufweisen, widerriefen Arsuaga und sein Team die Einordnung. Die gefundenen Urzeitmenschen seien zwar Teil des Neandertaler-Klans, aber nicht zwangsläufig direkte Vorfahren. Die Wissenschaftler schlugen daher vor, sie als eigenständige Subpopulation zu betrachten. Ob es sich dabei um eine eigene Art oder eine Unterart handele, müsse noch geklärt werden. Es sei wahrscheinlich, dass zu dieser Zeit mehrere Linien von Urmenschen nebeneinander existiert hätten.