WELT
Wiege der Menschheit stand in Afrika
Baku, 6. Februar, AZERTAC
Die Wiege der Menschheit stand in Afrika. Von dort ist der Homo sapiens nach Asien und Europa gekommen. Aber wann und wo? Genom-Analysen zeigen die Wanderungsbewegungen.
Der moderne Mensch hat von Afrika aus große Teile Eurasiens in einer einzigen Wanderungswelle besiedelt, berichten Forscher im Fachblatt "Current Biology". Wahrscheinlich begann die Welle demnach vor etwa 50.000 Jahren. Das schließen die Wissenschaftler aus DNA-Analysen urzeitlicher europäischer Jäger und Sammler.
Die Gen-Untersuchungen führte ein internationales Team um Johannes Krause vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte in Jena durch. Als Material diente das Erbgut von 35 Jägern und Sammlern, die vor 35.000 bis etwa 7000 Jahren in mehreren europäischen Regionen lebten, darunter auch im heutigen Deutschland.
Dabei wurde die DNA der Mitochondrien (mtDNA) analysiert. Dieses Erbgut kommt ausschließlich in den Zellkraftwerken vor und wird nur über die mütterliche Linie weitervererbt. Diese 35 Datensätze verglichen die Forscher anschließend mit 20 bereits veröffentlichten mitochondrialen DNA-Sequenzen urzeitlicher europäischer Menschen.
Frühere Annahmen widerlegt - Schon länger vermuteten Forscher, dass der Homo sapiens Europa und weite Teile Asiens in mehreren Migrationswellen besiedelt haben könnte. Schließlich haben Archäologen in Asien sehr viel ältere Funde als in Europa entdeckt, wohin der Mensch erst vor etwa 45.000 Jahren kam.
So berichteten Wissenschaftler 2015 in "Nature" von Zahnfunden in China, aus denen sie die Vermutung ableiteten, der moderne Mensch habe schon vor 80.000 bis 120.000 Jahren das heutige China erreicht.
Zudem kommen in Asien die mtDNA-Typen M und N vor, in Europa hingegen nur die Variante N. Demnach wären Menschen damals in einer ersten Welle nach Asien gezogen, später sei dann eine zweite Migration nach Europa gefolgt.
Die neue Untersuchung widerspricht zumindest teilweise dieser Annahme. Drei Menschen, die vor etwa 35.000 bis 28.000 Jahren auf dem Gebiet des heutigen Frankreichs und Belgiens lebten, zählten zum Haplotyp M, der in Europa bisher kaum registriert wurde. "Das erste Mal, als ich zu diesem Ergebnis gelangte, war ich überzeugt, dass ein Fehler vorliegen musste", sagt Erstautor Cosimo Posth. "Denn in heutigen Europäern ist diese Haplogruppe nicht zu finden. Dagegen ist sie in Asien, Australien und in den ursprünglichen amerikanischen Bevölkerungsgruppen weit verbreitet."
Anhand der Mutationsrate schätzen die Autoren, dass die letzten gemeinsamen Ahnen der Nicht-Afrikaner vor etwa 50.000 Jahren lebten - der Ort ist unklar. Demnach müssten diese Menschen Europa binnen weniger Tausend Jahre erreicht haben. "Diese Datierung stützt die Vermutung einer späten und schnellen Ausbreitung aller nicht-afrikanischen Bevölkerungsgruppen nicht nur nach Asien, sondern auch nach Europa", sagt Krause, Direktor am Jenaer Max-Planck-Institut.
Was diese rasche Migration auslöste, ist offen. Zwar belegen deutlich ältere Funde etwa in Israel, dass einzelne Gruppen Afrika schon wesentlich früher verlassen haben; sie hinterließen aber keine größeren Spuren im Erbgut heutiger Nicht-Afrikaner.
Rückzug während der Eiszeit - Die Studie bestätigt frühere Untersuchungen, denen zufolge die europäische Population sich auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit vor 25.000 bis 20.000 Jahren nach West- und Südeuropa zurückzog. Zu dieser Zeit schrumpfte die genetische Vielfalt stark, was das Verschwinden der Haplogruppe M in Europa erklären könnte.
Erst als das Klima vor etwa 14.500 Jahren wärmer wurde, breitete sich die Bevölkerung wieder aus - allerdings in veränderter Zusammensetzung. "Es sieht so aus, als ob die europäischen Jäger und Sammler in dieser Periode starker Erwärmung weitgehend durch eine Bevölkerungsgruppe aus einer anderen mütterlichen Abstammung ersetzt wurden", sagt Ko-Autor Adam Powell. Krause vermutet, dass diese Gruppe die Eiszeit in Südosteuropa überdauerte und nach Nordwesten zog, als sich die Gletscher zurückzogen.
Joachim Burger von der Universität Mainz spricht von einer guten Arbeit. "Sie trägt wesentlich dazu bei, die Verbreitung des Menschen außerhalb Afrikas näher zu charakterisieren", sagt der Anthropologe, der nicht an der Studie beteiligt war. Die Datierung des Urahnen aller Nicht-Afrikaner auf ein Alter von etwa 50.000 Jahren sei überzeugend.
Zudem bestätigten die genetischen Analysen, denen zufolge die Menschen nach dem Ende der letzten Eiszeit Mittel- und Nordeuropa wiederbesiedelten, entsprechende Funde von Objekten. "Das steht wunderbar in Einklang mit den archäologischen Daten", sagt Burger.
Vor Kurzem legte eine Veröffentlichung im Fachjournal "Science" nahe, dass vor etwa 3000 Jahren Bevölkerungsgruppen nach Afrika zurückkehrten - allerdings aus Vorderasien.