WELT
Zähne zeigen frühe Trennung vom Neandertaler
Baku, den 23. Oktober (AZERTAG). Die Linien von modernem Mensch und Neandertaler haben sich deutlich früher getrennt als bislang angenommen. Das zumindest schließen Forscher aus einer Zahnanalyse. Doch der Stammbaum bleibt unvollständig. Wer war der gemeinsame Vorfahr der beiden Menschen-Spezies?
Die Suche nach dem gemeinsamen Vorfahren von Neandertaler und modernem Menschen bleibt auch nach einem neuen Zahnabgleich ohne Erfolg. Die Analyse von 1200 Backenzähnen fossiler Hominiden lässt die Forscher schließen, dass die beiden Linien sich schon vor rund einer Million Jahre trennten. Das wäre deutlich früher als bisher angenommen, berichten sie im Fachblatt „Proceedings of the National Academy of Sciences“.
Das Team um Aida Gómez-Roblesa von der George Washington University in der US-Hauptstadt Washington hatte die Form der Zähne analysiert und daraus einen Stammbaum erstellt. Keiner der fossilen Zähne habe eine Struktur aufgewiesen, wie sie bei einem gemeinsamen Vorfahren von modernem Mensch und Neandertaler zu erwarten sei, schreiben die Forscher. Dies gelte für Homo heidelbergensis ebenso wie für Homo erectus und Homo antecessor. Der wahre Urahn harre offenbar noch seiner Entdeckung.
Zähne seien eine gute Basis dafür, die Evolution von Hominiden nachzuzeichnen, erläutern die Forscher. Sie kämen an Fundstellen häufig vor und seien meist gut erhalten. Zudem blieben ihre Merkmale während der gesamten Lebenszeit erhalten, Umweltfaktoren beeinflussten sie kaum. Das Team erfasste Struktur und Form der mehr als tausend Zähne und setzte sie in Bezug zu ihrem Alter und dem Fundort.
Erhebliche Abweichung zu molekularen Analysen - Die aus ihrer Analyse resultierenden Ergebnisse zur Verwandtschaft der beiden Linien wichen erheblich von den aus molekularen Analysen gewonnenen ab, berichten die Wissenschaftler. Ihren Daten nach habe der letzte gemeinsame Vorfahr vor etwa einer Million Jahre gelebt - Molekularanalysen datierten die Trennung hingegen auf rund 350.000 Jahre. Es gelte nun, der Ursache dieser Diskrepanz auf den Grund zu gehen, etwa mit morphologischen Vergleichen weiterer Körperteile.
Die Unsicherheiten im menschlichen Stammbaum sind - vor allem wegen der geringen Zahl fossiler Fundstücke - groß. Wie unsicher die Deutung morphologischer Charakteristika sein kann, hat eine erst vor wenigen Tagen im Fachblatt „Science“ veröffentlichte Studie gezeigt. Schweizer Forscher kommen darin zu dem Ergebnis, dass die frühen Vorfahren des modernen Menschen möglicherweise zu nur einer Spezies gehört haben.
Der Schädel eines Frühmenschen aus dem georgischen Dmanisi vereine Merkmale, die bisher verschiedenen Arten von Frühmenschen zugeordnet wurden, berichtete der Anthropologe Christoph Zollikofer von der Universität Zürich. „Wären Hirn- und Gesichtsschädel des Dmanisi-Exemplars als Einzelteile gefunden worden, wären sie mit großer Wahrscheinlichkeit zwei verschiedenen Arten zugeordnet worden.“
Viele Forscher gingen von bis zu fünf gleichzeitig existierenden Spezies in Afrika aus, darunter Homo habilis, Homo rudolfensis und Homo erectus. Zollikofer glaubt, dass es sich bei diesen Frühmenschen um Vertreter einer Art handeln könnte: Homo erectus.