WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Atomanlagen können jetzt besser überwacht werden
Baku, den 7. Mai (AZERTAG). Kontrollen, ob aus Kernkraftwerken Plutonium zum Bau von Atombomben abgezweigt wird, sind aufwendig. Physiker haben nun Detektoren entwickelt, mit denen Reaktoren von außen inspiziert werden können.
Die Überwachung von Kernkraftwerken im Hinblick auf das mögliche Abzweigen von nuklearem Material zum Bau von Atombomben ist ein brisantes Thema. In vielen Fällen stehen der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) lediglich Angaben der Betreiber von Kernreaktoren zur Verfügung. Deren Zahlen zum jeweiligen nuklearen Inventar könnten aber manipuliert sein. Direkte Kontrollen in einem Reaktor sind wiederum sehr aufwendig.
Bald könnte jedoch eine neue Methode zur Verfügung stehen, mit der aus einer gewissen Distanz auf das tatsächliche Innenleben in einem Reaktor geschlossen werden kann. Bei der Spaltung von Kernbrennstoffen wie Uran oder Plutonium werden neben Neutronen auch Antineutrinos freigesetzt. Sie fliegen praktisch ungehindert durch alle Wände eines Reaktors nach außen und könnten dort von speziellen Detektoren nachgewiesen werden.
Aus dem Energiespektrum der Antineutrinos können Physiker dann auf die Anteile der verschiedenen Substanzen schließen. So würde es beispielsweise auffallen, wenn zwischenzeitlich das zum Bau von Atombomben geeignete Plutonium aus dem Reaktor entnommen würde.
Sensible Detektoren entwickelt - Dass diese Kontrollmethode bislang nicht angewendet werden konnte, hatte zwei Gründe. Zum einen waren die zum Nachweis von Antineutrinos benötigten Detektoren riesengroß und damit nicht mobil einsetzbar. Wissenschaftler haben jedoch für diesen Zweck hinreichend sensible Detektoren entwickelt, die nunmehr mit einem handhabbaren Volumen von einem Kubikmeter auskommen.
Der zweite Hinderungsgrund bestand schlicht darin, dass man das Antineutrino-Energiespektrum von Uran-238 nicht kannte. Diese Wissenslücke haben jetzt Physiker der Technischen Universität München geschlossen. Mithilfe von Neutronen aus dem Garchinger Forschungsreaktor FRM II konnten sie dieses Spektrum mit der erforderlichen Genauigkeit bestimmen.
Aufschluss über Brennstoffzusammensetzung - „Unsere Ergebnisse erlauben es vorauszuberechnen, welches Antineutrino-Spektrum ein Reaktor mit der vom Betreiber angegebenen Brennstoffzusammensetzung haben müsste“, sagt Physiker Nils Haag, der den Messaufbau am FRM II entwickelt hatte.
Ein Fragezeichen bleibt allerdings: Um einen fraglichen Kernreaktor mit der neuen Messmethode überprüfen zu können, müssten die Kontrolleure mit dem Antineutrino-Detektor schon auf das Gelände der Anlage vorgelassen werden. Das würde derjenige, der etwas zu verbergen hat, im Zweifel wohl nicht zulassen.
Doch vielleicht lässt sich ja die Miniaturisierung der Detektoren noch so weit treiben, dass sie schließlich an Bord von kleinen Drohnen eingesetzt werden könnten. Doch das bleibt vorerst Science-Fiction.