WELT
In Ägypten wächst die Angst vor weiterer Destabilisierung, Gewalt und willkürlichen Festnahmen
Baku, den 12. Juli (AZERTAG). Vorerst ist Ägypten weiter fest im Griff der Armee. Gleichwohl wächst die Angst vor weiterer Destabilisierung, Gewalt und willkürlichen Festnahmen. Nach dem Freitagsgebet könnte die Lage wieder eskalieren.
Die Panzer sind noch immer da. Vor der Galaa-Brücke des vornehmen Nil-Insel-Stadtteils Zamalek stehen sie, und weiter südlich am Ufer vor dem Verfassungsgericht. Auch zehn Tage nach der Entmachtung von Präsident Muhammad Mursi ist Ägypten fest im Griff der Armee.
Alles kontrollieren können die Streitkräfte aber nicht. Am Freitag griffen bewaffnete Kämpfer nahe der Stadt al Arisch einen Kontrollposten an, ein Polizist wurde dabei getötet.
Doch nicht nur auf dem Sinai wächst die Angst vor weiterer Destabilisierung: Vergangene Woche fanden Sicherheitskräfte im Zentrum von Kairo eine Bombe – wer sie gelegt hat, ist unklar. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International sind seit dem Sturz Mursis 88 Menschen getötet worden.
Auch an diesem Wochenende rechnen viele wieder mit Gewalt. Nur wenige Kilometer voneinander entfernt wollten Anhänger und Gegner des entmachteten Staatschefs zu Kundgebungen nach dem Freitagsgebet zusammenkommen. Vergangene Woche stießen sie nach solchen Massenveranstaltungen entlang des Nil-Ufers aufeinander. Es war der Beginn einer Welle von Gewalt, die von der ersten Stunde an einen Schatten auf die Post-Mursi-Ära legt.
Die Besorgnis über eine neue Phase autoritärer Herrschaft ist ebenso groß wie die vor weiterer Radikalisierung; Bedenken gegenüber Militärs und Übergangsregierung sind weit verbreitet.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte die ägyptischen Behörden am Donnerstag deshalb auf, Menschenrechte, Meinungs- und Versammlungsfreiheit zu respektieren. Er sei „tief besorgt“ wegen fortgesetzter Festnahmen, sagte er nach einem Telefonat mit Ägyptens Außenminister Kaml Amr.
Auch die amerikanische Regierung forderte die Streitkräfte auf, die willkürlichen Festnahmen zu beenden.
Ein weiterer Grund für den wachsenden Unmut ist zudem, dass noch immer unklar ist, wo Mursi festgehalten wird. Weil sie ihn in jener Einrichtung der Republikanischen Garden im Norden Kairos vermuten, wo es am Montag zu den vielen Toten kam, marschieren dort seine Anhänger weiter auf. Die Führung der Armee ebenso wie die neue zivile Führung laufen Gefahr, aus Mursi einen politischen Häftling zu machen, sollte der Arrest ohne Anklage allzu lange anhalten.
Ein Sprecher des ägyptischen Außenministeriums erklärte inzwischen zwar, Mursi befinde sich „an einem sicheren Ort“ und würde in würdiger Weise“ behandelt. „Zugleich ist es für seine eigene Sicherheit und die Sicherheit des Landes besser, ihn festzuhalten“, sagte er. Mursis Anhänger dürften das anders sehen.