GESELLSCHAFT
Klimarat warnt vor weit höherem Anstieg des Meeresspiegels
Baku, den 27. September (AZERTAG). Der Welt stehen geflutete Küsten, schmelzende Gletscher und Hitze bevor: Der neue Bericht des IPCC bestätigt den menschengemachten Klimawandel deutlicher als je zuvor.
Der Weltklimarat IPCC warnt in seinem neuen Sachstandsbericht vor einem um gut ein Drittel höheren Anstieg der Meeresspiegel als bislang prognostiziert. Im ungünstigsten Fall hebe sich der Meeresspiegel bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 82 Zentimeter. Selbst wenn der Klimaschutz erheblich verstärkt würde, seien es noch mindestens 26 Zentimeter. „Während sich die Ozeane erwärmen und Gletscher und Eisdecken schmelzen, wird der globale Meeresspiegel weiter steigen, aber schneller, als wir es in den letzten 40 Jahren erlebt haben“, sagte Qin Dahe, einer der Co-Vorsitzenden der Arbeitsgruppe, die den ersten Teil des neuen Berichts verantwortet.
In seinem vierten Sachstandsbericht von 2007 hatte der IPCC noch Anstiege von 18 bis 59 Zentimetern vorhergesagt. Durch den höheren Meeresspiegel könnten Inseln und flache Küstengebiete dauerhaft überflutet werden. Dies gefährde die Existenz etwa vieler kleiner Inselstaaten im Pazifik. Schuld sei der anthropogene Klimawandel.
Der IPCC ist sich sicherer denn je, dass der Mensch die Hauptverantwortung für die Erderwärmung trägt. Hatte das UN-Gremium die Wahrscheinlichkeit 2007 noch mit 90 Prozent angegeben, sei dies nunmehr „extrem wahrscheinlich“ – ein Begriff, der eine Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent umschreibt.
Auch die Temperaturen werden in den nächsten Jahrzehnten anziehen. Sie würden je nach Szenario bis 2100 im weltweiten Schnitt je nach Szenario zwischen 1,5 bis 4 Grad Celsius steigen. Dabei muss jeweils noch berücksichtigt werden, dass die Durchschnittstemperatur im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bereits um etwa 0,8 Grad angestiegen ist. In unwahrscheinlicheren Modellen gehen die Wissenschaftler sogar von bis zu 4,8 Grad mehr bis Ende des Jahrhunderts aus.
„Hitzewellen treten sehr wahrscheinlich öfter auf und halten länger an“, teilte der Weltklimarat IPCC mit. Dessen Abkürzung steht für Intergovernmental Panel on Climate Change (Zwischenstaatlicher Sachverständigenrat für Klimaveränderungen). Nie war es seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wärmer als zwischen 2001 und 2010. „Mehr Temperaturrekorde sind gebrochen worden als in jedem anderen Jahrzehnt“, sagte der Generalsekretär der Weltmeteorologieorganisation WMO, Michel Jarraud.
Die Eisdecken in Grönland und der Antarktis haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Masse verloren, Gletscher sind weltweit weiter geschrumpft, wie die Forscher schreiben. Im Zuge der Erderwärmung erwarten die Wissenschaftler daher, dass feuchtere Regionen auf der Welt mehr Niederschläge und trockenere noch weniger bekommen. „Es wird aber Ausnahmen geben.“
In den Beratungen über ein neues weltweites Klimaschutzabkommen, das bis 2015 stehen soll, hatte sich die internationale Gemeinschaft daher grundsätzlich auf das Zwei-Grad-Ziel verständigt. Bis zum Ende des Jahrhunderts solle die mittlere globale Temperatur nicht weiter steigen. Allerdings ist seit Längerem bekannt, dass dieses Ziel eigentlich nicht mehr zu erreichen ist.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, sagte, der neue „unparteiische“ Bericht des IPCC sei eine wesentliche Grundlage für eine ehrgeizige Vereinbarung über den weltweiten Klimaschutz. Die Regierungen der Welt werden bei der nächsten Klimakonferenz im November in Warschau über den Bericht des IPCC beraten. Der Co-Vorsitzende der Arbeitsgruppe I des IPCC, Thomas Stocker, mahnte während der Vorstellung der neuen Analyse in Stockholm: „Eine Begrenzung des Klimawandels erfordert eine substantielle und anhaltende Verringerung der Treibhausgasemissionen.“