WELT
Kurz vor dem Start des Fastenmonats Ramadan hatte das Amt von Übergangspräsident eine Versöhnungsinitiative für die kommende Woche angekündigt
Baku, den 10. Juli (AZERTAG). Ein schnelles Ende der Staatskrise in Ägypten ist nicht in Sicht: Die Muslimbrüder haben das Angebot der Übergangsregierung ausgeschlagen, künftige Ministerposten zu übernehmen. Kurz vor dem Start des Fastenmonats Ramadan hatte das Amt von Übergangspräsident Adli Mansur eine Versöhnungsinitiative für die kommende Woche angekündigt. Demnach wollte Hasim al-Beblawi auch Vertreter der Partei für Freiheit und Gerechtigkeit ins Kabinett aufnehmen. Sie gilt als politischer Arm der Muslimbruderschaft, aus der der am vergangenen Mittwoch vom Militär gestürzte Präsident Mohammed Mursi stammt. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur Mena sollen auch Mitglieder der ultrakonservativen Nur-Partei der Übergangsregierung angehören.
In einer Erklärung der Übergangsregierung hieß es, Ziel des Vorstoßes sei es, die Spaltung in der ägyptischen Gesellschaft zu überbrücken und Blutvergießen zu vermeiden. Alle Konfliktparteien seien eingeladen, an der Initiative „Eine Nation“ teilzunehmen. Zuvor hatte Mansur einen Plan für Verfassungsänderungen und Neuwahlen binnen sechs Monaten präsentiert.
Doch derzeit sieht es nicht aus, als ließe sich der Dauerkonflikt so einfach lösen. Von vornherein schien äußerst fraglich, ob die Initiative gelingen könnte. Die ehemals regierende Muslimbruderschaft verlangt vehement, dass Mursi wieder in sein Amt eingesetzt wird. Mansur erließ am Montagabend ein Dekret mit einem Plan für Parlaments- und Präsidentenwahlen sowie ein Verfassungsreferendum. Die Muslimbruderschaft lehnte das Konzept rundheraus ab, Gleiches gilt für die Liberalen.
Beblawi, der neue Chef der Übergangsregierung, ist Ökonom und Sozialdemokrat. Von Juli bis Dezember 2011 arbeitete er bereits als Finanzminister. Nach dem Sturz von Langzeitherrscher Husni Mubarak war er Mitbegründer der ägyptischen Sozialdemokratischen Partei. Der Friedensnobelpreisträger und liberale Politiker Mohammed El Baradei wurde zum Vizepräsidenten an der Seite von Übergangspräsident Mansur ernannt.
In seiner sogenannten Verfassungserklärung gab sich Mansur die Vollmacht, den Notstand für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten zu verhängen und bis zur Wahl des neuen Parlaments Gesetze zu erlassen. Auch die umstrittene Verfassung wird überarbeitet. Damit wird ein 15-köpfiger, hauptsächlich aus Richtern bestehender Ausschuss beauftragt.
Der Ausschuss soll seine Vorschläge einer 50-köpfigen Versammlung vorlegen, die alle gesellschaftlichen Schichten repräsentieren soll. Über den neuen Text wird in einem Referendum abgestimmt. Danach soll ein neues Parlament gewählt werden, das dann rasch die Präsidentenwahl ansetzt.
Die USA äußerten sich positiv über den ägyptischen Plan für Verfassungsänderungen und Neuwahlen. „Wir sind vorsichtig optimistisch über die Ankündigung der Übergangsregierung. Wir glauben, das ist eine gute Sache“, sagte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Jay Carney, in Washington.
Der Vorstoß Mansurs erfolgte, nachdem die Lage in Ägypten am frühen Montagmorgen dramatisch eskaliert war. Bei Zusammenstößen in Kairo wurden nach offiziellen Angaben mindestens 51 Menschen getötet und 435 weitere verletzt.