WISSENSCHAFT UND BILDUNG
Schwarzes Loch wirft ganzen Sternhaufen aus Galaxie
Baku, den 12. Mai (AZERTAG). Es ist eine spektakuläre Kraft-Demonstration: Eines der größten bekannten Schwarzen Löcher hat jetzt offenbar einen ganzen Kugelsternhaufen aus einer Galaxie geschleudert. Tausende der Sonnen driften nun durchs Weltall.
Es ist nicht ein Stern, es sind nicht Dutzende, sondern vermutlich Tausende: Ein ganzer Kugelsternhaufen wurde mit enormer Wucht aus einer Riesengalaxie in unserer kosmischen Nachbarschaft geschleudert.
Er rast jetzt mit mehr als drei Millionen Kilometern pro Stunde aus dem Sternsystem heraus, berichten Forscher vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) im Fachblatt „Astrophysical Journal Letters“. Der ausgestoßene Kugelsternhaufen werde für immer durchs leere Weltall zwischen den Galaxien driften, berichtet das CfA.
„Astronomen sind früher bereits auf ausgerissene Sterne gestoßen“, erläutert Hauptautor Nelson Caldwell. „Aber dies ist das erste Mal, dass wir einen ausreißenden Sternhaufen entdeckt haben.“ Kugelsternhaufen sind runde Ansammlungen von üblicherweise Tausenden meist uralten Sonnen. Sie gelten als Relikte aus dem jungen Universum. Unsere Heimatgalaxie, die Milchstraße, beherbergt etwa 150 Kugelsternhaufen. Die Riesengalaxie mit der Katalognummer M87, bei der die Forscher den kosmischen Ausreißer entdeckt haben, besitzt mehr als 10.000 dieser Objekte.
Warum die Galaxie den Kugelhaufen ausgestoßen hat, ist nicht geklärt. Die Forscher spekulieren, dass sich im Zentrum von M87 zwei gigantische Schwarze Löcher befinden. Eines von ihnen wurde schon vor Jahren auf kaum vorstellbare 6,6 Milliarden Sonnenmassen vermessen. Damit war es zeitweise das schwerste bekannte Objekt im Universum. Das zweite Schwarze Loch könnte durch einen Zusammenstoß mit einer anderen Galaxie an seinen Platz gekommen sein, mutmaßen die CfA-Forscher.
Möglicherweise sei der Kugelsternhaufen den Schwarzen Löchern später dann zu nahe gekommen, so die Wissenschaftler. Dabei sei er wie mit einer Schleuder weggeschossen worden. Zwar seien sicher viele der äußeren Sterne von den Schwarzen Löchern „abgepflückt“ worden, doch der dichte Kern sei offenbar intakt geblieben.
Ausreißer auch in der Milchstraße entdeckt - Die Astronomen hatten seit Jahren die Umgebung von M87 untersucht und dabei auch die Eigengeschwindigkeit der Kugelsternhaufen analysiert. "Wir haben nicht erwartet, irgendetwas zu finden, das sich so schnell bewegt", betont Co-Autor Jay Strader von der Michigan State University. Der Kugelsternhaufen rast nach Berechnungen der Forscher mit rund 1025 Kilometern pro Sekunde auf die Erde zu - das entspricht fast 3,7 Millionen km/h. Sie nennen ihn deshalb „HVGC-1“ für „Hypervelocity Globular Cluster 1“ (Hypergeschwindigkeits-Kugelsternhaufen 1).
Sorgen braucht sich deshalb auf der Erde allerdings niemand zu machen. Die Galaxie M87 ist rund 54 Millionen Lichtjahre entfernt. Der Sternhaufen bräuchte also fast 16 Milliarden Jahre, um hier anzukommen.
Ein amerikanisch-chinesisches Team berichtet im selben Fachjournal über die Entdeckung des bislang nächstgelegenen Ausreißer-Sterns in unserer Milchstraße. Er rast in rund 42.000 Lichtjahren Entfernung von der Erde mit immerhin rund 1,8 Millionen Kilometern pro Stunde aus unserer Galaxie hinaus.
Der Ausreißer sei vermutlich einmal Teil eines Doppelsternsystems gewesen, das dem Schwarzen Loch im Zentrum der Milchstraße zu nahe gekommen sei. Dabei sei der eine Teil des Doppelsternsystems eingefangen und der andere herausgeschleudert worden, so Zheng Zheng von der University of Utah. Aus der Bahn des schnellen Sterns ließen sich Rückschlüsse sowohl auf das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße als auch auf ihre Hülle aus unsichtbarer Dunkler Materie ziehen.