GESELLSCHAFT
Seit unfassbaren 300 Millionen Jahren wachsen und gedeihen Palmfarne in wärmeren Breiten
Baku, den 22. August (AZERTAG). Palmfarne gehören zu den wirklich archaischen Samenpflanzen. Seit unfassbaren 300 Millionen Jahren wachsen und gedeihen sie in wärmeren Breiten. Heutige Arten ähneln noch immer denen aus dem ausgehenden Karbon. Abgesehen allerdings von ihren Fortpflanzungsstrategien: Frühe Palmfarne hatten eher kleine Samen. Als in späteren Erdzeitaltern zunehmend große Pflanzenfresser auftraten, bildeten Palmfarne auch zunehmend große Frucht- und Samenapparate aus - sie haben sie bis heute.
Das ist seltsam, weil diese großen Früchte und Samen nicht so recht zur heutigen Fauna zu passen scheinen. Einst hatten sich Palmfarne einer Megafauna angepasst: Ihre Verbreitungstrategie setzte darauf, dass ihre Früchte von tierischen Riesen geschluckt und anderenorts in entsprechend riesigen Haufen wieder entsorgt wurden. So bekam die Pflanze die Chance, sich nicht nur in einzelnen Exemplaren zu verbreiten, sondern gleich in Massen - es war eine Art Aussaat ganzer Wälder.
Verwunderlich daran fanden John Hall und Gimme Walter von der Universität Queensland, dass sich heutige Palmfarne von denen zu Zeiten der Saurier kaum unterscheiden. Die letzten Pflanzenfresser, die groß genug gewesen wären, ihre Samen auf die althergebrachte Weise zu verbreiten, starben in Australien vor rund 45.000 Jahren aus. Auch anderenorts fehlt eine Megafauna, die für die Verbreitung sorgen könnte. Elefanten und andere heutige Großsäuger scheinen an Palmfarn-Früchten hingegen kaum interessiert.
Wieso, fragten sich die Biologen, gibt es diese Pflanzen dann also überhaupt noch - und das in tropischen Breiten sogar rund um den Globus?
Über 200 Millionen Jahre war der Palmfarn darauf angewiesen, dass riesige Pflanzenfresser seinen Samen verbreiteten. Doch als die Megafauna ausstarb, machten die Palmfarne einfach weiter - mit den gleichen Früchten und Samen. Wer braucht schon Saurier?
Hall und Walter untersuchten, wie sich die Palmfarne heute verbreiten. Ihr Befund, den sie im „American Journal of Botany“ veröffentlichten, liefert auf diese Frage eine überraschende Antwort: So gut wie gar nicht - sie macht sich stattdessen breit. Für die Pflanze sei es weniger wichtig, wie zu Dino-Zeiten in Massen über Distanzen verbreitet zu werden. Hauptsache sei vielmehr, dass sie niemals einsam stehe.
Heute, schreiben die Autoren der Studie, seien es in Australien vor allem Opossums, die für die Verbreitung der Samen sorgten. Die höchstens 50 Zentimeter kleinen Beutelratten nagen das Fleisch von den Früchten und lassen die Samen liegen. Und zwar direkt unter den Pflanzen: 97 Prozent der Samen fallen in einem Umkreis von weniger als einem Meter vom Stamm entfernt.
Das scheint aus mehreren Gründen kontraproduktiv. Zum einen nimmt man gemeinhin an, dass Pflanzen darauf angewiesen sind, sich weiträumig zu verteilen. Zum anderen dokumentieren Hall und Walter auch, dass die Samen in einem Umkreis von circa 1,5 Metern um den Stamm so gut wie nie keimen. Da bleiben die restlichen drei Prozent der Samen, die für den Erfolg der Pflanze sorgen müssen. Und die verteilen sich in einem Umkreis um den Palmfarn, der nie größer als fünf Meter ausfällt.
Der Effekt sei aber nicht anders als zur Zeit der Saurier: Alle Palmfarne seien einhäusig und bei der Bestäubung abhängig von oft sehr stark auf sie spezialisierten Insekten, schreiben Hall und Walter. Da sei eine weiträumige Verbreitung einzelner Pflanzen sogar nachteilig. Besser sei es, wenn immer gewährleistet sei, dass mehrere Pflanzen in unmittelbarer Nähe zueinander ausgesät würden.
Vor Jahrmillionen hätten das riesige Pflanzenfresser erledigt, die womöglich mit einem Stuhlgang ganze Wälder säten. Heute übernehmen eher Tiere mit kleinen Körpern diese Aufgabe, indem sie die Pflanzen durch sukzessive Verschiebung verbreiten, dabei aber sicherstellen, dass sie stets in Gruppen wachsen - so, wie sie das offenbar brauchen.
Ein evolutionärer Druck, der die Pflanze dazu gezwungen hätte, sich den veränderten Bedingungen anzupassen, die durch den Wegfall der Megafauna entstanden, wäre so nie aufgekommen. Palmfarne produzieren mit anhaltendem Erfolg noch immer Dinosaurierfutter.