GESELLSCHAFT
Temperaturentwicklung in der Golfregion unter zwei Szenarien simuliert
Baku, 29. Oktober, AZERTAC
Forscher wagen eine düstere Prognose für die Golfstaaten. Schon in wenigen Jahrzehnten könnten die Temperaturen dort wegen des Klimawandels regelmäßig über 60 Grad steigen. Selbst für Gesunde wäre das unerträglich.
Forscher haben berechnet, dass bei ungebremstem Ausstoß von Treibhausgasen die Sommertemperaturen am Persischen Golf regelmäßig auf Werte steigen werden, die selbst junge und gesunde Menschen nicht mehr ertragen können. Demnach könnte der Klimawandel die Region bis Ende des Jahrhunderts weitgehend unbewohnbar machen.
Dies gefährde nicht nur die Bewohner von Städten wie Dubai, Abu Dhabi oder Doha, sondern auch Pilger in Mekka, schreiben die Forscher im Fachjournal „Nature Climate Change“.
Jeremy Pal von der Loyola Marymount University in Los Angeles und Elfatih Eltahir vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge haben die Temperaturentwicklung in der Golfregion unter zwei Szenarien simuliert: bei ungebremstem Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) und bei einem Rückgang der Emissionen, der weltweit das 2-Grad-Ziel erreichen könnte.
Wann ist es zu heiß für den Menschen? - Die Bewohnbarkeit der Region schätzten sie mithilfe der sogenannten Feuchtkugeltemperatur (TW) ab: Das ist die Temperatur, auf die sich ein Objekt bei optimaler Feuchtigkeit durch Verdunstungskälte kühlen lässt. „Ab dem TW-Schwellenwert von 35 Grad Celsius würden wahrscheinlich selbst die gesündesten Menschen nicht mehr als sechs Stunden ertragen“, schreiben die Forscher. Die Wärmeregulation des Körpers wäre dann überfordert, er würde überhitzen.
Derzeit nähern sich Regionen am Persischen Golf gelegentlich diesem Wert, schreiben die Autoren. Dort würden an der Küste und auch in küstenferneren Wüstenregionen oft Normaltemperaturen von 50 Grad Celsius überschritten.
Diesen Trend erklären sie damit, dass die Region gewöhnlich wolkenlos ist, das Rote Meer und der Persische Golf viel Sonneneinstrahlung aufnehmen, und Wärme und Feuchtigkeit sich in einer schmalen Luftschicht konzentrieren. Zudem ist der Persische Golf mit einer maximalen Tiefe von etwa 100 Metern sehr flach und heizt sich entsprechend schnell auf.
Pilgerfahrt nach Mekka in Gefahr - Die absoluten Temperaturen um den Persischen Golf werden den Simulationen zufolge bei ungebremsten Emissionen im letzten Viertel des Jahrhunderts regelmäßig im Sommer 60 Grad Celsius überschreiten. Betroffen davon seien vor allem die arabischen Golf-Anrainer und Iran. Am Roten Meer liegen die Temperaturen demnach etwas niedriger, könnten aber noch 55 Grad überschreiten.
„Diese extremen Bedingungen haben gravierende Folgen für die Rituale des Hadsch, bei dem muslimische Pilger bei Mekka im Freien vom Morgengrauen bis zur Abenddämmerung beten“, schreiben die Autoren. „Dieses zwangsläufig im Freien abgehaltene Ritual wird wahrscheinlich gefährlich für die Gesundheit, vor allem für die vielen älteren Pilger, wenn der Hadsch in den Sommer fällt.“
Aus diesen Gründen müssten die Länder in Südwestasien ein Interesse daran haben, dass die Treibhausgas-Emissionen deutlich sinken, folgern die Forscher.
Hitzewelle diesen Sommer lässt Szenario realistisch erscheinen - In einem Kommentar schreibt Christoph Schär von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH), bisherige Hitzewellen würden vor allem älteren und kranken Menschen zusetzen. Die in der aktuellen Studie prognostizierte Hitze könne dagegen für jeden Menschen tödlich sein. Einen Vorgeschmack darauf biete die jüngste Hitzewelle in der Golfregion, die in Bezug auf die Feuchtkugeltemperatur zu den schlimmsten jemals registrierten zähle.
Ende Juli überstiegen die Temperaturen demnach eine ganze Woche lang tagsüber 40 Grad Celsius, nachts sanken sie nicht unter 30 Grad Celsius. Am Mittag des 31. Juli war es demnach 46 Grad heiß, bei einer Luftfeuchtigkeit von 49 Prozent. „Diese Bedingungen entsprechen einer Feuchtkugeltemperatur von 34,6 Grad Celsius, nur wenig unter dem kritischen Schwellenwert“, schreibt Schär. „Die neue Studie zeigt damit, dass die Bedrohungen für die menschliche Gesundheit vielleicht viel gravierender sind als bisher gedacht.“