WELT
USA 59 Marschflugkörper auf einen Luftwaffenstützpunkt abgefeuert
Baku, 7. April, AZERTAC
Die USA haben 59 Marschflugkörper des Typs Tomahawk auf einen Luftwaffenstützpunkt des syrischen Regimes abgefeuert. Es handelt sich um den Flugplatz, von dem aus der mutmaßliche Giftgasangriff auf die Stadt Chan Schaichun am Dienstag begonnen haben soll. US-Präsident Donald Trump ordnete den Angriff persönlich an.
Trump nannte den Angriff auf den Luftwaffenstützpunkt als "grundlegend für die nationale Sicherheit" seines Landes. "Ich rufe heute alle zivilisierten Nationen auf, sich uns anzuschließen." Das Blutvergießen müsse beendet werden. Man könne nicht bestreiten, dass Syrien verbotene Chemiewaffen eingesetzt habe, so der US-Präsident. Trump machte in seiner kurzen Ansprache deutlich, dass es sich um einen gezielten Schlag gegen einen bestimmten Militärflughafen handelte. Weitere Angriffe drohte er nicht an. Ebenso vermied es der US-Präsident, den Sturz des Assad-Regimes zu fordern. Ziel sei es stattdessen, das Verhalten des syrischen Diktators zu ändern - ihn also davon abzuschrecken, erneut Giftgas einzusetzen.
Das syrische Staatsfernsehen sprach von einem Akt der "Aggression". Es habe Verluste gegeben. Nach Angaben des Gouverneurs von Homs seien Menschen getötet worden. "Es gibt Märtyrer, aber wir haben noch keine Bilanz der Märtyrer und Verletzten", sagte Talal Barasi telefonisch der Nachrichtenagentur AFP. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London seien vier Soldaten getötet worden. Die syrische Armee meldete inzwischen sechs Tote.
Die russische Botschaft in Syrien hat nach einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA noch keine Informationen darüber, ob es russische Opfer beim US-Angriff in Syrien gab. Der Abgeordneter Dmitri Sablin sagte unter Berufung auf eigene Informationen, es seien keine Russen verletzt worden.
Lob für Trumps Entscheidung von Demokraten und Republikanern - Trumps Entscheidung, den syrischen Stützpunkt anzugreifen, kam innerhalb weniger Stunden. Am Nachmittag hatte er dem Vernehmen nach führende Kongressabgeordnete über mögliche militärische Schritte informiert. Am frühen Abend ließ er sich von seinem Verteidigungsminister unterschiedliche Optionen vorlegen, um 20.40 Uhr an der amerikanischen Ostküste erfolgte der Angriff.
Mit seinem Befehl versendet Trump gleich mehrere Botschaften. Syriens Machthaber Baschar al-Assad will er signalisieren, dass der Einsatz von Chemiewaffen künftig nicht mehr ohne Sanktionen bleibt. Gegenüber Moskau zeigt der US-Präsident, dass er im Zweifel auch gegen die Interessen Russlands zu agieren gewillt ist. Und nach innen gibt ihm der gezielte Angriff die Gelegenheit, sich als Mann zu inszenieren, der anders agiert als sein Vorgänger und bereit ist, weitgehend ohne Vorwarnung zuzuschlagen.
Gleichwohl birgt der Raketenabwurf massive Risiken. Er wirft nicht nur ein Schlaglicht darauf, wie impulsiv der US-Präsident in Krisen reagiert. Er wirft auch die Frage auf, welche Strategie Trump in Syrien erfolgt. Mit der chirurgischen Operation versucht Trump, auf Abschreckung zu setzen. Allerdings dürfte sie kaum die Kräfteverhältnisse in Syrien verändern. Dazu würde es weiterer und regelmäßiger Angriffe bedürfen, die dann allerdings vom Kongress in Washington abgesegnet werden müssten. Und die Unterstützung für eine tiefere Verstrickung in den Krieg in Syrien ist in den USA gering.
Für den Moment scheint Trump, der sich im Wahlkampf klar gegen eine Involvierung im Syrienkonflikt ausgesprochen hatte, auch die Unterstützung seiner Gegner zu haben. Kurz vor seinem Befehl zum Abschuss der Raketen hatte sich die unterlegene demokratische Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton für gezielte Luftangriffe ausgesprochen. Nach dem Angriff äußerten sich andere Demokraten wohlwollend über die Aktion. Von seiner Partei wurde Trump für seine Entscheidung offen gelobt.
Trump und Tillerson hatten nur Stunden zuvor den Druck auf die Regierung des syrischen Staatschefs Assad erhöht. Die USA wollten eine internationale Koalition schmieden, um Assad abzulösen, sagte Tillerson.
Vor dem Angriff hatte Russland die USA vor "negativen Konsequenzen" bei einem militärischen Eingreifen in Syrien gewarnt. "Alle Verantwortung bei einer militärischen Aktion liegt auf den Schultern von denen, die diese fragwürdige und tragische Unternehmung beginnen", sagte der stellvertretende russische Uno-Botschafter Wladimir Safronkow. Der Uno-Sicherheitsrat hatte sich zuvor bei einer Sondersitzung in New York erneut nicht auf eine neue Syrien-Resolution verständigen können.