GESELLSCHAFT
WMO warnt vor anschwellenden Meeren
Baku, den 13. November (AZERTAG). Die Meeresspiegel steigen mit hoher Geschwindigkeit weiter - das geht aus einem Bericht der Uno-Wetterbehörde WMO hervor. Die Forscher sehen darin eine Gefahr für Küstenbewohner. Wirbelstürme wie der Taifun „Haiyan“ könnten künftig noch größere Schäden anrichten.
Die Meeresspiegel steigen nach Angaben der Uno-Meteorologiebehörde WMO weiterhin. Seit 1993, dem Beginn von Satellitenmessungen, sei der Pegel rund 3,2 Millimeter pro Jahr gestiegen. Das sei doppelt so viel wie im Schnitt des 20. Jahrhunderts, schrieb die Organisation in ihrem Zwischenbericht für 2013, der am Mittwoch in Genf vorgestellt wurde. Sie untermauerte damit die Angaben des Uno-Klimarats IPCC. Durch den Anstieg der Meere würden die Küstengebiete zunehmend anfällig für Stürme wie den Taifun „Haiyan“, der jüngst Hunderte Menschen auf den Philippinen das Leben kostete, warnte die Organisation.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts sind die Meere im weltweiten Durchschnitt um 20 Zentimeter gestiegen. Der Anstieg vollzieht sich in Zyklen, die aktuelle Rate entspricht jener zwischen 1920 und 1950. Ginge es so weiter, stünde das Wasser Ende des Jahrhunderts 26 Zentimeter höher. Erwärmt sich die Erde aber stärker, drohe bis zum Ende des Jahrhunderts ein beschleunigter Anstieg um 26 bis 82 Zentimeter - je nachdem, wie viel Treibhausgase freigesetzt werden, warnt der Uno-Klimarat.
Der Taifun „Haiyan“ könne also durchaus als Vorgeschmack auf die Zukunft aufgefasst werden, erklärte WMO-Generalsekretär Michel Jarraud. „Auch wenn man einzelne Zyklone nicht unmittelbar auf den Klimawandel zurückführen kann, machen höhere Meeresspiegel die Küstenbewohner anfälliger für Flutwellen“, sagte Jarraud. „Die tragischen Konsequenzen dessen haben wir auf den Philippinen gesehen.“ Der Klimawandel wirke sich nicht nur auf die Temperaturen aus, sondern verursache auch Dürren, Fluten und extreme Regenfälle.
Zudem ist der aktuelle Meeresspiegel-Anstieg von 3,2 Millimetern pro Jahr nur ein globaler Durchschnittswert. In manchen Regionen schwellen die Meere langsamer oder gar nicht an, wie etwa an der US-Westküste. In anderen Gebiete steigt der Pegel dagegen überdurchschnittlich - vor allem im tropischen Westpazifik, wo auch die Philippinen liegen.
Die Wirkung der globalen Erwärmung auf die Stürme selbst ist dagegen weniger sicher. Laut dem aktuellen Weltklimabericht, den der Uno-Klimarat IPCC im September vorgestellt hat, gibt es keine erkennbaren Langzeittrends bei der Anzahl tropischer Zyklone, also bei Hurrikanen und Taifunen. Allerdings gibt es Anzeichen dafür, dass die stärksten Wirbelstürme in Zukunft noch zerstörerischer werden könnten.
Die WMO geht in ihrem Report auch davon aus, dass 2013 zu den zehn heißesten Jahren seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr 1850 gehören wird. Zwischen Januar und September habe die Temperatur weltweit um 0,48 Grad über dem Langzeitdurchschnitt zwischen den sechziger und den neunziger Jahren gelegen. In Australien, Japan, China und Südkorea seien im Sommer Rekordtemperaturen gemessen worden.
Arktisches Meereis erholt sich leicht - Erst vor wenigen Tagen hatte die WMO gemeldet, dass die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre 2012 einen neuen Höchststand erreicht hat. Sie sei seit dem Beginn der industriellen Revolution um 41 Prozent gestiegen. „Wir erwarten, dass sie 2013 erneut ein beispielloses Niveau erreichen“, sagte Jarraud am Mittwoch. „Dies bedeutet, dass uns eine wärmere Zukunft bevorsteht.“ Die ersten neun Monate 2013 hätten auf dem Niveau von 2003 gelegen und zählten damit zu den sieben wärmsten Perioden seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1850.
In zahlreichen Regionen wurden überdurchschnittliche Temperaturen verzeichnet. So gab es große Hitze in Australien, Nordamerika, im Nordosten von Südamerika, Nordafrika sowie weiten Teilen Eurasiens. Die weltweite Oberflächentemperatur lag um 0,48 Grad Celsius über dem Durchschnitt der Zeit von 1961 bis 1990. Allerdings erholte sich das Meereseis in der Arktis leicht von der dramatischen und beispiellosen Schmelze vergangenes Jahr. In der Antarktis wuchs das Meereseis sogar auf eine Fläche von 19,47 Millionen Quadratkilometern.
Das aber ist laut Jarraud kein Grund zur Beruhigung: Der Meeresspiegel werde aufgrund des Schmelzens der Gletscher und der Eiskappen voraussichtlich weiter steigen. 90 Prozent der Erderwärmung, die durch den Ausstoß von Kohlendioxid und anderer klimaschädlicher Gase verursacht wird, würden durch die Ozeane aufgenommen, die sich daher noch über Jahrhunderte weiter erwärmen und ausdehnen würden, sagte der WMO-Chef.
Der Bericht wurde anlässlich der Uno-Klimakonferenz in Warschau vorgestellt, die am Montag begonnen hatte. Dort läuft eine bislang beispiellose Aktion: Aus Solidarität mit den Opfern von „Haiyan“ auf den Philippinen haben sich etwa 30 Teilnehmer der Konferenz der Fastenaktion des philippinischen Chefunterhändlers Naderev Saño angeschlossen. Beteiligt sein sollen Aktivisten aus Sri Lanka, der Ukraine, Indien, den USA und anderen Staaten. Saño hatte zu Beginn der zwölftägigen Konferenz am Montag angekündigt, nichts zu essen, solange keine Ergebnisse in Sicht seien.
„Es ist Essenszeit, aber wir essen nicht“, war auf Schildern in einem der Bistros der Warschauer Konferenz zu lesen. „Wir stehen zu euch, wir stehen zu den Philippinen“, hieß es auf anderen. Die fastenden Aktivisten trugen große rote Punkte als Erkennungszeichen an ihrer Kleidung. Die Aktivistin Anjali Appadurai aus Sri Lanka sagte der Nachrichtenagentur AFP, sie wolle „nur Wasser trinken - bis zum Ende des Gipfels oder bis es wirklich Fortschritte gibt“.
Die 19. Uno-Klimakonferenz hatte am Montag unter dem Eindruck von „Haiyan“ begonnen. An dem Treffen nehmen Vertreter aus mehr als 190 Ländern teil. Wesentliche Durchbrüche werden nicht erwartet. Es sollen aber weitere Fragen auf dem Weg zu einem verbindlichen globalen Klimaschutzabkommen geklärt werden, das bis Ende 2015 ausgehandelt werden und im Jahr 2020 in Kraft treten soll.